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Zukunft der Nachtzüge: «Es braucht den Willen der Politik»

Ein Bahnunternehmer, eine Umweltschützerin und ein Politiker sind sich einig: Die Nachfrage nach Nachtzügen besteht. Aber damit Nachtzüge auch wirtschaftlich machbar sind, braucht es die Unterstützung der Politik.

Weltweit sind Nachtzüge unterwegs. Aber ausgerechnet im westlichen Europa, mit seinem gut ausgebauten Bahnnetz, ist das Angebot weitgehend verschwunden. Die Konkurrenz von Billigflügen und Hochgeschwindigkeitszügen tagsüber haben dazu geführt, dass in den letzten Jahren viele Züge gestrichen worden sind, dies vor allem wegen der Deutschen Bahn, die ihre City Night Line eingestellt hat.

An einem Anlass der Bahnjournalisten Schweiz waren sich alle Referentinnen und Referenten einig, dass ein Bedarf nach zusätzlichen Nachtzugverbindungen besteht – selbst wenn der Hype wegen der Umweltbewegung wieder abflauen sollte. Allerdings glänzten die wichtigsten Akteure SBB und ÖBB mit Abwesenheit, da sie ihre Geheimnisse noch nicht lüften mochten.

In der Präsentation von Joachim Holstein, einem Mitbegründer der Organisation «Back on Track», wurde klar festgehalten, dass die Nachtzüge der Deutschen Bahn nicht einfach «gestorben» sind, sondern sie wurden regelrecht vernachlässigt oder, mit den Worten des Referenten, «plattgemacht».

Die ÖBB übernahm daraufhin einen Teil des Netzes und der Fahrzeuge, was für die Schweiz bedeutet, dass immerhin die Nachtzüge nach Hamburg und Berlin weiterbestehen, neben jenen nach Österreich und teilweise ostwärts darüber hinaus. Hingegen gibt es keine Nachtzüge mehr nach Nord-, West und Südeuropa.

Kostenwahrheit herstellen

Die Firma Stadler hat in den letzten Jahren für die Aserbaidschanische Eisenbahn Schlafwagen gebaut und sieht ein gewisses Potenzial. «Es handelt sich um ein Nischenprodukt, aber eines mit Zukunft», hielt Verkaufsleiter Matthias Stöhr fest. Selbst er aber betonte, es brauche den Willen der Politik, um Nachtzüge im Vergleich zum Flugzeug konkurrenzfähig zu machen. Greta Stieger von Umverkehr wurde dazu konkreter: Es brauche eine Flugticketabgabe in der Schweiz; der Ständerat hat bereits zugestimmt, nun ist der Nationalrat am Zug. Weitere Lenkungsmassnahmen seien aber erforderlich, etwa eine europaweite Kerosinsteuer. «Insgesamt brauchen wir Kostenwahrheit im Flugverkehr und das Verursacherprinzip bei den Umweltbelastungen», hielt Stieger fest.

Im Vergleich zum Flugverkehr ist die Bahn mit Mehrwertsteuer, komplizierten Verfahren der Fahrzeugzulassung und insbesondere den Trassenpreisen stark belastet. Aus Sicht der Bahnbetreiber und Ökonomen hat die Politik beim Trassenpreis den einfachsten Hebel, um Nachtzüge attraktiver zu machen. Zwar waren sich die Fachleute nicht einig, wie hoch der Anteil des Trassenpreises an den Gesamtkosten eines Nachtzugs ist, sicher aber ist: Er ist der zentrale Kostenfaktor und kann politisch beeinflusst werden.

Aufschwung zeichnet sich ab

Mehrere Referentinnen und Referenten strichen die Vorteile der Nachtzüge heraus: Sie schliessen die Lücke zwischen letztem und erstem Tageszug, ermöglichen die rechtzeitige Ankunft am Zielort für Tagungen und haben eine grosse Auswahl, was den Komfort angeht. Wenn auch das Hochgeschwindigkeitsnetz mit Nachtzügen genutzt würde, könnte die Reichweite ausgebaut werden, wobei aus Komfortgründen Geschwindigkeiten über 200 km/h als unrealistisch angeschaut werden.

Wie geht es weiter? Die ÖBB hat bereits zusätzliches Rollmaterial bestellt, das in rund zwei Jahren zur Verfügung stehen soll. In mehreren europäischen Ländern gibt es Vorstösse, die den Ausbau der Nachtnetze verlangen, in Schweden und Frankreich sind bereits Beschlüsse zugunsten der Nachtzüge gefallen. Der politische Druck bleibt hoch: So setzt sich beispielsweise die Organisation «Objectif train de nuit» für einen Nachtzug Barcelona–Avignon– Schweiz–Frankfurt ein. Auch Umverkehr wird in der Schweiz weiter aktiv bleiben und sich vor allem dem Ziel widmen, das Umsteigen von Flug auf Zug zu fördern.

Fakten zu Flugverkehr und Klimaschutz: flugfacts.ch

Peter Moor