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SEV-Kongress 2019

Eine Rede und viel Arbeit

Am 4. Juni findet im Kursaal Bern der 80. ordentliche SEV-Kongress mit über 400 Teilnehmenden statt. Geleitet wird er vom Präsidium des SEV-Vorstandes, Danilo Tonina und Peter Käppler. Die SEV-Zeitung sprach mit ihnen über diesen wichtigen Tag, aktuelle Herausforderungen für den SEV und ihre Unterverbände RPV und AS sowie den 100. Geburtstag des SEV.

Kongresspräsident Danilo Tonina (rechts) ist Vizezentralpräsident RPV und arbeitet als RCP-Spezialist bei SBB Cargo in Schaffhausen. Kongressvizepräsident Peter Käppler ist Zentralpräsident AS.

Was sind die Höhepunkte des diesjährigen eintägigen Kongresses?

Danilo Tonina: Ein Höhepunkt ist sicher die Rede des SEV-Präsidenten. Sonst konzentrieren wir uns auf das geschäftliche Business, zumal an der 100-Jahr-Feier am Vorabend vor ähnlichem Publikum schon mehrere Reden geplant sind.

Peter Käppler: Der eigentliche Höhepunkt sind die Delegierten und ihre Beiträge. Das ist der Sinn des Kongresses als «SEV-Parlament». Das Spannende ist, dass das nicht planbar ist.

D. Tonina: Ja, der Kongress lebt wesentlich von den aktiven Beiträgen der Delegierten zu Kongressanträgen, Positionspapieren usw.

Was wird diesmal zu diskutieren geben?

D. Tonina: Ich denke wie immer diejenigen Anträge, die der Vorstand zur Ablehnung empfohlen hat. Vielleicht gibt es auch Opposition zu Änderungen der Statuten und Reglemente.

Werdet ihr wegen der beschränkten Zeit Diskussionen einschränken müssen?

P. Käppler: Nein. Eine Kongressregel ist, dass zu unbestrittenen Sachen das Wort nicht ergriffen werden soll. Auch die Redezeit und die Anzahl Wortmeldungen sind beschränkt. Das sieht auf den ersten Blick nach Redebeschneidung aus, ist aber demokratisch, weil nötig, damit nicht nur ein paar geübte Redner das Mikrofon monopolisieren, sondern alle etwas sagen können.

Wird es auch Aktionen geben?

P. Käppler: Ja natürlich, Aktionen bereichern den Kongress. Bisher sind drei Aktionen geplant. Die Delegierten sind frei, Voten mit Darbietungen eingänglicher zu gestalten.

Der Kongress legt in sechs Positionspapieren die wichtigsten Inhalte und Ziele der SEV-Arbeit bis zum Kongress 2021 fest. Was sind die grössten Herausforderungen?

D. Tonina: Wichtig sind sicher die im Positionspapier Gewerkschaft erwähnte Stärkung des SEV durch Mitgliederwerbung und die Verteidigung und Stärkung des Service public. Die Wahlen im Herbst sind entscheidend dafür, wie es in der Schweiz politisch weitergeht. Bei der Verkehrspolitik braucht es eine Kurskorrektur der bisherigen Liberalisierungspolitik des BAV. Da müssen wir auch dranbleiben.

P. Käppler: Gegen Liberalisierung und Dumping bei den Arbeitsbedingungen müssen wir auch auf europäischer Ebene kämpfen, denn Bahn und Bus machen an der Grenze nicht halt. In der Schweiz haben wir starke GAV ausgehandelt, müssen aber auch noch die Unternehmen ohne GAV vertraglich einbinden.

D. Tonina: Das Wort Digitalisierung ist inzwischen allen bekannt, ihre Auswirkungen aber nicht, zum Beispiel auf die Gesundheit. Auch sind wir langsam alle durch Systeme gesteuert wie Caros, Sopre, Buchungssysteme oder Navigationsgeräte. Diese Systeme sagen, wo man sein soll oder was man tun soll. Wenn sie aber mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben und ungeeignete Abläufe vorsehen, gibt es Leerläufe. Es macht mir Sorgen, wenn die Vernunft und Intelligenz der Mitarbeitenden tiefer gesetzt werden als ein System. Vielmehr sollten Menschen die Systeme überwachen und wo nötig korrigierend eingreifen.

P. Käppler: Dafür brauchen alle Mitarbeitenden Aus- und Weiterbildung. Doch gerade dort wird gespart, um Investitionen in teure Systeme zu kompensieren. Das rächt sich letztlich für das Unternehmen. Eine weitere Folge der Digitalisierung ist, dass viele Mitarbeitende nicht mehr an traditionellen Arbeitsorten arbeiten, dies führt zu unklaren Abgrenzungen von Arbeits- und Freizeit, womit Ausnutzung droht. Die Vereinzelung macht es für uns Gewerkschaften auch schwieriger, die Mitarbeitenden zu erreichen. Viele dieser Einzelkämpfer/innen haben aber durchaus ein Bedürfnis nach Vernetzung und Unterstützung. Dieses Bedürfnis müssen wir abdecken über geeignete Kommunikationskanäle und persönliche Kontakte. Der Zugang zu den Mitarbeitenden in den Verwaltungsgebäuden wird uns manchmal bewusst erschwert. Umso wichtiger sind Vertrauensleute vor Ort. Generell müssen wir näher zu den Mitarbeitenden. Neben berufsspezifischen Versammlungen braucht es auch berufsübergreifende Anlässe in den Regionen zum Vernetzen aller SEV-Mitglieder, wie sie z.B. Regionalsekretariate schon durchführen.

Macht dir die Überprüfung von Bedienpunkten im Wagenladungsverkehr Sorgen?

D. Tonina: Die Suche nach mehr Effizienz an sich nicht, wohl aber der Fokus auf Abbau, statt zu versuchen, neue Kunden und Transportaufträge zu gewinnen. Durch Zugverpendelung, Funkfernsteuerung und Automation der Kupplungen fallen ebenfalls Arbeitsplätze weg. Es wird aber weiterhin Rangierer brauchen, und die Anforderungen an sie steigen.

P. Käppler: Die Digitalisierung darf nicht dazu führen, dass in Zügen und Bahnhöfen gar keine Mitarbeitenden mehr präsent sind, denn das entspricht nicht dem Bedürfnis der Reisenden: Diese erwarten vor, während und nach der Reise eine professionelle Betreuung und die Gewährung der Sicherheit! Dafür ist ausgebildetes Personal notwendig.

Wird es in 20 Jahren noch eine Gewerkschaft des Verkehrspersonals geben?

D. Tonina: Auf jeden Fall. Dass auch in der heutigen digitalisierten Welt Jugendliche auf die Strasse gehen und sich gemeinsam für das Klima engagieren, stimmt mich zuversichtlich.

P. Käppler: Falls die Renten weiter sinken, Krankenkassenprämien und Mieten steigen und der Druck auf die Verkehrsangestellten weiter zunimmt, werden von diesen immer mehr merken, dass sie sich für ihre Interessen gemeinsam wehren müssen. Auch müssen alte und neue Mobilitätsberufe näher zusammenrücken. Ich bin darum überzeugt, dass der SEV in 20 Jahren eine noch stärkere Mobilitätsgewerkschaft sein wird.

Der SEV feiert dieses Jahr sein 100-JahrJubiläum. Warum?

D. Tonina: Geburtstage darf und muss man feiern, weil es einfach etwas Gutes ist. 100 Jahre sind nicht nichts! Das ist eine sehr lange Zeit, in der enorm viel geleistet wurde. Die Unterverbände sind sogar noch älter. Das alles ist vielen gar nicht bewusst und darf man ruhig etwas bekannter machen. Und die Idee, die Feier mit einem Bus zu den Mitgliedern zu bringen, ist schlicht genial.

Markus Fischer

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Alle Kongressanträge und weitere Infos zum Kongress: sev-online.ch/kongress2019