| Aktuell / SEV Zeitung

Blendende Bilanz der Ausschreibungen von Buslinien

Beispiel für den Kostendruck: PostAuto kann das Fahrplanangebot in mehreren Kantonen nicht mehr garantieren, weil Fahrer:innen fehlen. @ PostAuto.

Editorial von Christian Fankhauser, Vizepräsident SEV

Diesen Sommer verkündete das Bundesamt für Verkehr (BAV), dass ein externer Evaluationsbericht zu den Busausschreibungen im regionalen Personenverkehr eine positive Bilanz ziehe: «Die Ausschreibungen haben zu effizienteren Angeboten der Transportunternehmen geführt, ohne dass es zu einem Wettbewerb auf Kosten des Personals kam.» Dieses apodiktische Fazit, untermauert von einem 170-seitigen Bericht, soll die vielen Kantone beruhigen, die noch Bedenken haben, Linien auszuschreiben, und sie dazu bewegen, diesen Schritt zu wagen.

Die Realität in den Betrieben ist weit weniger erfreulich. Wären die Gewerkschaften in die externe Untersuchung einbezogen worden, wäre die Bilanz weniger blendend ausgefallen. Aktuelle Beispiele zeigen, wie extrem der Kostendruck in den Unternehmen ist. So kann zum Beispiel PostAuto das Fahrplanangebot in mehreren Kantonen nicht mehr garantieren, weil Fahrer:innen fehlen. Dies deshalb, weil PostAuto zu wenig Personalreserven einplant und entsprechend weniger Personal beschäftigt, um die Lohnkosten zu senken. Dieses Just-in-time-Management wird durch Ausschreibungen indirekt gefördert, da so die Chancen steigen, Aufträge zu bekommen. Dadurch wird die Qualität spürbar beeinträchtigt.

Dieses System basiert auf der Überzeugung, dass gesunde Mitarbeitende an freien Tagen ihrem Arbeitgeber zu Hilfe kommen. Das ist nicht nur beim Gelben Riesen so. Überall in der Schweiz verlassen sich die Transportunternehmen angesichts des Personalmangels darauf, dass sich ihre Mitarbeitenden mit dem Unternehmen identifizieren – und mit dem Auftrag, den öffentlichen Verkehr sicherzustellen. Diese Logik gefährdet die Gesundheit jener, die noch bei guter Gesundheit sind, und kann auf die Dauer nicht funktionieren. Unsere im Sommer publizierte Umfrage zur Gesundheit der Busfahrer:innen ergab alarmierende Resultate. Seit unserer Umfrage von 2018 sind die Fälle von Muskelschmerzen in der Schulter und im Nacken deutlich gestiegen. Und die Zahl krankheitsbedingter Arbeitsausfälle hat zugenommen. Jede:r zweite Fahrer:in ist 2021 mindestens einmal krankheitsbedingt ausgefallen.

Wir sind der Meinung, dass die Unternehmen – und damit auch das Personal – nicht länger unter Druck gesetzt werden dürfen. Das ist eine der Grundvoraussetzungen, um die Branche attraktiv zu machen. Die Anstellungsbedingungen und die Arbeitszeiten müssen die bestmögliche Gesundheit gewährleisten.

Und wir können es nicht oft genug sagen: Es ist an der Zeit, eine Branchenlösung für die Weiterbildung, Wiedereingliederung und Umschulung gesundheitlich angeschlagener Personen zu schaffen. Das wäre für alle eine gute Sache.