SEV-Vizepräsident Manuel Avallone zu den Eckwerten des GAV 2015

«Unter dem Strich ein ausgeglichenes, gutes Resultat»

Für Manuel Avallone, den Leiter der gewerkschaftlichen Verhandlungsdelegation, bringt der neue GAV insgesamt eine echte Weiterentwicklung der Anstellungsbedingungen.

Welche Verbesserungen bringt der neue GAV dem Personal von SBB und SBB Cargo?

Manuel Avallone: Wichtige Verbesserungen sind der raschere Lohnaufstieg vom Tiefst- zum Höchstwert im Lohnband und die Frühpensionierungsmodelle, die nicht im GAV selbst, sondern in separaten Vereinbarungen geregelt werden. Beides haben die Mitglieder seit Jahren immer wieder gefordert, auch in der SEV-Umfrage vom letzten Sommer. Ebenfalls eine spürbare Verbesserung bringt vielen Kolleg/innen, die am Sonntag arbeiten, die Vereinheitlichung und Anhebung der Sonntagszulage. Und die Temporärangestellten erhalten spätestens nach vier Jahren bei der SBB eine Festanstellung angeboten. Auch sehr wichtig, wenn auch keine Verbesserung, ist die Weiterführung der Lohngarantien 2011, die die SBB abschaffen wollte, obwohl sie mit Toco ausgehandelt wurden. Sobald man diese Garantien infrage stellt, stellt man Toco infrage, denn ohne sie hätten wir Toco nie zugestimmt. Mitarbeitende mit Lohngarantie profitieren weiterhin auch hälftig von generellen Lohnerhöhungen.

Was ist am neuen GAV weniger positiv?

Weniger erfreuliche Veränderungen gibt es vor allem bei der Beruflichen Neuorientierung (BNO): Neu erhält man erst nach vier Dienstjahren Zugang zur BNO. Neu ist auch, dass Mitarbeitenden in der BNO der Lohn stufenweise gekürzt wird, aber erst nach sechs Monaten und nicht unter den Maximalwert des Anforderungsniveaus C (zurzeit 66 938 Franken). Positiv ist, dass der Aufenthalt in der BNO zeitlich unbeschränkt bleibt und dass wir im GAV verankern konnten, dass man schon vor dem Verlust der Stelle in eine sechsmonatige «Präventionsphase» kommt, in der man bei der Neuorientierung unterstützt wird. Von dieser «Präventionsphase» profitieren alle, auch Mitarbeitende mit weniger als vier Dienstjahren. Gemäss Zahlen der SBB finden in dieser Phase 80 bis 90 Prozent der Betroffenen bereits eine Lösung. Insgesamt bleibt der Kündigungsschutz damit im nationalen und internationalen Vergleich sehr gut.

Gibt es Personalkategorien, die besser oder schlechter wegkommen als andere?

Ich beurteile dies als sehr ausgeglichen. Man kann nicht sagen, dass es Kategorien gibt, für die der neue GAV nur Nachteile bringt. Mitarbeitende, die frisch bei der Unternehmung sind, also vor allem die Jüngeren, profitieren von der rascheren Lohnentwicklung, die Älteren von den neuen Modellen zur Frühpensionierung und viele auch von der Beibehaltung der Lohngarantie 2011. Jene, die am Sonntag arbeiten, und die Temporärangestellten profitieren ebenfalls.

Die GAV-Konferenz konnte die Eckwerte nur als Gesamtpaket annehmen oder zurückweisen. Gibt es bei der Ausgestaltung der Details noch Spielraum für Nachbesserungen?

Es geht nun darum, das Ausgehandelte zu texten und umzusetzen. Dabei werden noch Details auftauchen, die noch nicht geregelt sind und über die wir mit der SBB noch reden müssen. Dafür nehmen wir uns die nötige Zeit. Aber die Eckwerte stehen fest, da gibt es keinen Spielraum mehr für Nachverhandlungen in dem Sinn, dass man zum Beispiel die Sonntagszulage noch erhöhen könnte. Die thematischen Verhandlungspakete sind geschlossen. Daher hat die letzte Verhandlungsrunde auch bis halb fünf Uhr morgens gedauert. Selbstverständlich hätte die GAV-Konferenz noch Nachverhandlungen fordern können, doch hätte dann auch die SBB wieder Pakete öffnen wollen. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die GAV-Konferenz ausgehend von anfänglich über 200 Forderungen der Verhandlungsdelegation eine Reihe von Schlüsselthemen vorgab, bei denen wir gut auf Kurs geblieben sind. Wir haben zum Beispiel auch die Angriffe auf die Tunnel- und die Erschwerniszulage abwehren können.

Bringt der neue GAV dem Personal insgesamt mehr Verbesserungen oder Verschlechterungen?

Unter dem Strich ist es ein ausgeglichenes, gutes Resultat, mit dem wir gut leben können. Insgesamt bringt es eine echte Weiterentwicklung der Anstellungsbedingungen. Trotz der Aufweichung des Kündigungsschutzes bleibt die SBB eine attraktive Arbeitgeberin.

War das Klima bei den Verhandlungen eher partnerschaftlich oder feindselig?

Die Verhandlungen sind wirklich schwierig gestartet wegen Meinungsverschiedenheiten zur Kommunikation. Der SEV wollte seinen Mitgliedern sagen können, wo die Verhandlungen stehen, die SBB sah es etwas anders. Soweit ich mich erinnern kann, hat sie ihre Mitarbeitenden nie wirklich über ihre Forderungen informiert. Gegen Schluss der bisherigen Verhandlungen war das Klima auch immer hart, aber fair. Und die Zusammenarbeit mit den andern Personalverbänden funktioniert sehr gut.

Interview: Markus Fischer