Manchmal ist es gerechtfertigt oder sogar geboten, die Strassenverkehrsregeln zu übertreten.

Wenn der Raser ein Retter ist

Unser Mitglied T. reicht ein Berufsrechtsschutzgesuch ein, weil er zu schnell gefahren ist. Wirklich ein Fall für den Rechtsschutz?

Reglement

Einschränkungen
4.1 Ausgenommen vom Berufsrechtsschutz sind in der Regel:
a. Ereignisse, die vor dem Eintritt in den SEV stattgefunden haben oder erst während einer gekündigten Mitgliedschaft angemeldet werden.
b. Streitigkeiten zwischen SEV-Mitgliedern.
c. Vorfälle, die das Mitglied vorsätzlich oder grobfahrlässig herbeigeführt hat.

(Auszug aus dem Reglement über den Berufsrechtsschutz)

STGB

Rechtfertigender Notstand
Artikel 17, Schweiz. Strafgesetzbuch, Rechtfertigender Notstand: Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen wahrt. STGB  Ich interessiere mich für den Beitritt zum SEV; schicken Sie mir bitte Unterlagen!  Ich will kontakt.sev genauer kennenlernen und bestelle ein Probeabonnement (6 Ausgaben).  Ich

T. hat die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 37 km/h überschritten. Er wurde vom Radar erfasst und danach wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln angeklagt. Da kommt natürlich der Gedanke an Selbstverschulden auf. Bei Selbstverschulden gewährt der SEV keinen Berufsrechtsschutz (Reglement über den SEV-Berufsrechtsschutz, Artikel 4, Abs. c).

In unserem Fall verhält es sich aber so, dass es T. quasi verordnet wurde, zu schnell zu fahren.

Grund war eine brennende Gleisbaumaschine und die grosse Gefahr für die Feuerwehrleute wegen der Fahrleitungen. Nur T. war erreichbar und nur ihm war es möglich, innert nützlicher Frist vor Ort zu sein, um den Strom der Fahrleitung auszuschalten bzw. zu erden. Es bestand eine Notfallsituation, denn die Feuerwehrleute waren sich der heiklen Situation bzw. der Gefährlichkeit der Schutzstrecke nicht bewusst. Somit galt es, Schlimmeres zu verhindern. T. fuhr zügig zum Ereignisort und achtete nicht auf den Tacho. Für ihn hatte ein rasches Handeln am Brandort Priorität.

Der SEV teilte in Würdigung der Umstände T. sofort einen Vertrauensanwalt zu. Dieser stellte bei der Staatsanwaltschaft Antrag, unser Mitglied T. vom Vorwurf der groben Verletzung der Verkehrsregeln freizusprechen. Die Begründung lautete (in der Juristensprache), T. hätte das Rechtsgut anderer Personen (konkret das Leben der im Einsatz stehenden Feuerwehrleute) aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten versucht. Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei eine abstrakte Gefährdung gleichartiger Güter. T. hätte rechtfertigende Notstandshilfe im Sinne von Art. 17 StGB geleistet, eventuell liege entschuldbare Notstandshilfe im Sinne von Art. 18 Abs. 2 StGB vor. T. hätte rechtmässig und eventuell nicht schuldhaft gehandelt. Wäre T. im Sinne von Art. 18 Abs. 1 StGB zuzumuten gewesen, das gefährdete Gut preiszugeben, müsste er milder bestraft werden. Der Richter sei dabei nicht an die angedrohte Mindeststrafe gebunden (Art. 48a StGB).

Rechtfertigender Notstand

Die Staatsanwaltschaft kam zum Schluss, dass der Rechtfertigungsgrund stark genug war, um den Straftatbestand unanwendbar zu machen. Leib und Leben der Feuerwehrleute seien im vorliegenden Fall höherwertige Rechtsgüter als eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 37 km/h auf einer Autobahn, die zudem zur späten Nachtzeit kaum befahren gewesen sei. Zusätzlich gewertet wurde, dass T. der einzige verfügbare Monteur war, der die heikle Situation überblicken und die nötigen Schaltungen/Erdungen vornehmen konnte. Da sich der Brandfall zudem in einem städtischen Wohnquartier ereignete, konnte mit den Löscharbeiten nicht länger zugewartet werden. Es bestand eine unmittelbare, nicht anders abwendbare Gefahr für Leib und Leben der Feuerwehrleute bzw. durch den Brand selbst. T. hatte demzufolge aus einem rechtfertigenden Notstand heraus gehandelt.

Mit dieser Begründung wurde T. schliesslich freigesprochen. Gemäss Verfügung werden sowohl die Verfahrenskosten wie die Parteikosten vom Staat übernommen. Das Strassenverkehrsamt folgte der Beurteilung der Staatsanwaltschaft und sah von einer Administrativmassnahme ab.

Rechtsschutzteam SEV