Manchmal gibt einem das Leben eine harte Nuss zu beissen. Umso unangenehmer, wenn in einem vermeintlich süssen Lebensmittel auch etwas Hartes ist.

Vom Kirschstein zum Stolperstein

Die Weihnachtsfeiertage sind traditionell eine Zeit üppiger Mahlzeiten. Hier die Geschichte eines seltsamen Unfalls, der zum Juristenfutter wurde.

Josiane teilte ihrer Unfallversicherungsgesellschaft mit, sie habe sich einen Zahn abgebrochen – beim Kirschenkonfitüre essen. Wegen eines Stücks eines Kirschsteins. Natürlich war die Konfitüre – wie üblich – aus «entsteinten» Kirschen hergestellt worden.

Die Versicherung weigerte sich, die Kosten für die vorgesehene Behandlung des abgebrochenen Zahnes zu übernehmen, mit der Begründung, in einer hausgemachten Konfitüre, die aus manuell oder maschinell entsteinten Kirschen zubereitet wurde, sei das Vorhandensein eines Stücks eines Kirschsteins nichts Aussergewöhnliches.

Das kantonale Obergericht, das sich mit dem Rekurs von Josiane befasste, bejahte die Zahlungsverpflichtung der Versicherung, die jedoch dieses Verdikt vors Bundesgericht weiterzog.

Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob es sich wirklich um einen Unfall handelt, und ob die Bedingung, dass eine äussere, aussergewöhnliche Ursache vorliegt, im speziellen Fall gegeben ist.

Das Abbrechen eines Zahns gilt als Unfall, wenn es durch einen harten Gegenstand, der nicht zur konsumierten Nahrung gehört, verursacht wird. Das eidgenössische Versicherungsgericht hat beispielsweise festgestellt, dass ein Stück einer Nussschale in einem Nussbrot, einer Nusstorte, einem Nussgipfel oder in einem Stück Nussschokolade etwas Aussergewöhnliches ist, obwohl man nie ganz aussschliessen kann, ein Stück Schale in einem Lebensmittel anzutreffen. Dieses Urteil kann auch auf Oliven und Kirschen angewendet werden. Wenn also jemand eine Packung entsteinte Oliven kauft, muss diese Person nicht damit rechnen, dass es (Oliven-) Steine in der Packung hat. Wenn es trotzdem welche hat, ist dies aussergewöhnlich. Die allgemeine Lebenserfahrung lehrt, dass es in einem Lebensmittel, das aus entsteinten Früchten hergestellt wurde, im Allgemeinen keine Steine enthält.

Wenn aber jemand einen Kuchen ässe im Wissen, dass dieser aus nicht entsteinten Früchten hergestellt wurde, müsste man mit Steinen rechnen, es würde sich also nicht um einen Unfall handeln.

Josiane hat in der Vergangenheit mehrmals Konfitüre der Schwiegermutter gegessen, ohne darin je ein Stück Stein gefunden zu haben. Sie konnte davon ausgehen, dass das Glas Konfitüre, dass sie erhalten hatte, ebenfalls keine enthielt.

Der Rekurs der Versicherung wurde deshalb abgelehnt und die Kosten des Unfalls von Josiane wurden übernommen.

Rechtsschutzteam SEV