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SBB Cargo will das Netz des Wagenladungsverkehrs ausdünnen

SEV fordert: Abbauplan sistieren

Bei 155 der schweizweit 500 Zustellpunkte des Wagenladungsverkehrs liegt die Auslastung unter 1000 Wagen pro Jahr. Daher will sie SBB Cargo aufheben, falls sich ihre Wirtschaftlichkeit nicht erhöhen lässt. Der SEV ist gegen einen solchen Netzabbau.

Der geplante Abbau des Zustellnetzes würde Güter auf die Strasse umlenken. Politisches Ziel ist aber das Gegenteil

SBB Cargo hat die Sozialpartner am 9. Januar über das Reorganisationsprojekt «Netz» informiert. Die SBB-Tochter, die im Wagenladungsverkehr (WLV) in der Schweiz die Systemführerschaft hat, will sich schon ab 2013 auf ein «effizientes Kernnetz» konzentrieren. Von zurzeit 500 Bedienpunkten sollen bis zu 155 geschlossen und die damit verbundenen Arbeitsplätze gestrichen werden. Darunter sind auch 29 Bedienpunkte des Grundnetzes gemäss der Leistungsvereinbarung mit dem Bund. SBB Cargo will total 80 Mio. Franken einsparen, davon rund die Hälfte durch «interne Massnahmen» wie die Netzausdünnung und den seit Oktober laufenden Abbau von 200 Verwaltungsstellen.

Zu diesem Projekt «Netz» verlangte die Verhandlungsgemeinschaft der Gewerkschaften (VG)* unter Leitung des SEV ein Konsultationsverfahren und reichte Ende Februar folgende Forderungen an SBB Cargo ein, wozu diese bis 9. März schriftlich Stellung zu nehmen hat:

1. SBB Cargo muss das WLVNetz sichern und ausbauen

Die VG* stellt mit Befriedigung fest, dass SBB Cargo vor kurzem nun auch öffentlich dargelegt hat, dass die gegenwärtige Situation keinen kostendeckenden Betrieb eines engmaschigen WLV ermöglicht, sondern eine Form von Abgeltungen erfordert. Gerade in diesem Moment eine Ausdünnung der Bedienpunkte vorzuschlagen steht in klarem Widerspruch zur Sicherung oder Erweiterung des Angebotes. Verhandlungen zu Anpassungen des Grundangebotes müssen auf eine Ausweitung zielen und nicht auf eine Reduktion.

Das Parlament hat ja im Rahmen der Behandlung des Güterverkehrsverlagerungsgesetzes im Jahre 2008 und der Verabschiedung eines Zahlungsrahmens für den nicht alpenquerenden Verkehr seinen Willen zur Förderung des Schienengüterverkehrs in der Fläche bekundet.

2. SBB Cargo soll sich als Teil des Service public verstehen und positionieren

Die Verteilung der Güter auch innerhalb der Schweiz ist ein Teil des «gewollten» Service public der Bewohner/innen der Schweiz. Hier Abbau zu betreiben schwächt die Entwicklung der Zukunft der Unternehmung SBB Cargo. Innerhalb des Konzerns und auch in der Öffentlichkeit gilt es, dieses Selbstverständnis neu zu kommunizieren.

3. SBB Cargo muss die Finanzierung der (optimierten) Kosten sichern

Mit dem Abbauprojekt «Netz» senden SBB und SBB Cargo ein falsches Signal aus. Die defensive Rückzugsstrategie schwächt die (auch betriebswirtschaftlich) notwendige Wachstumsstrategie. Richtigerweise versucht SBB Cargo, durch die Kunden «wirtschaftliche Leistungen» zu finanzieren. Dabei aber eine Vollkostenrechnung inklusive grundsätzlich erforderlicher Margen der Kundschaft in allen «Zusatzleistungen» verkaufen zu wollen, scheint kaum realisierbar. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass SBB und SBB Cargo kein wirkliches Interesse haben, den Erhalt oder gar Ausbau des gegenwärtigen Güterverkehrs zu erzielen. Es darf nicht sein, dass auf Kosten der Verlagerung des Binnengüterverkehrs Trassen lieber dem «profitablen» Personenverkehr überlassen werden.

Eine nachhaltige Sicherung der Finanzierung dieses Service public erfordert zwingend die Entwicklung zusätzlicher Formen der Abgeltung, Zuschüsse oder Subventionen, sinnvollerweise verbunden mit Lenkungscharakter zur Volumensteigerung. SBB Cargo kann sich dabei auf den Auftrag der Leistungsvereinbarung berufen (Art. 12, Abs. 1).

4. SBB Cargo darf und muss Lobbyarbeit betreiben

Die VG* erachtet es als äusserst problematisch, wenn einzelnen Kunden nun spezifische Leistungen zu «Vollkosten mit Margen» angeboten werden. Leistungen, die den Kunden ganz offensichtlich zu einem Preis weit über den Mitbewerbern auf der Strasse angeboten werden, lassen an Willen und Bereitschaft zur Erbringung dieser Leistung zweifeln.

SBB und SBB Cargo haben im Eigeninteresse und im Interesse des Eigners dafür zu sorgen, dass sich in den Regionen Bedienpunkte behaupten können und sich Kunden- und Regionalgemeinschaften zur Sicherung und Erhöhung des Transportvolumens auf der Schiene bilden.

Eine erfolgreiche Lobbyarbeit kann Druck auf Wirtschaft, Öffentlichkeit und Politik ausüben, damit SBB Cargo sich endlich weiterentwickeln kann. Natürlich geht es nebst der Kundenbindung und Gewinnung von Neukunden auch um die Sicherung der Finanzierung durch die verschiedenen Stakeholder. Bündnispartner aus den Bereichen verladende Wirtschaft, Verkehrspolitik, Regionalinteressen, Umweltorganisationen usw. präsentierten sich teilweise schon selbst. Nicht zu vergessen sind die namhaften Investitionen, die von Bund und Unternehmen für den Betrieb von Anschlussgleisen erbracht wurden.

5. SBB Cargo muss das Projekt Netz zurückstellen

In Anbetracht dieser Ausgangslage gilt es, das Projekt Netz zurückzustellen. Sollte es für einzelne (!) Bedienpunkte zwingend kurzfristig Anpassungen brauchen, sind diese detailliert und separat der Verhandlungsgemeinschaft vorzulegen und zu erörtern. Der grosse Abbauwurf «Projekt Netz» muss sistiert werden. Nur so kann SBB Cargo glaubwürdig darlegen, dass sie auch in Zukunft als verlässlicher und entscheidender Player im Schienengüterverkehr positioniert sein kann.

6. SBB Cargo bringt sich in die laufenden Diskussionen ein

Anstatt den politischen Diskussionen mit einem Abbau vorzugreifen und Tatsachen zu schaffen, soll SBB Cargo seine Energie dazu aufwenden, sich in den laufenden politischen Diskussionen (zum Beispiel zur Motion Zukunft des Schienenverkehrs in der Fläche und FABI) Gehör zu verschaffen. Es braucht gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten und keine Alleingänge.

SEV

* Der VSLF hat sich von dieser Stellungnahme distanziert, weil er nur die gewerkschaftlichen, nicht aber die politischen Forderungen teilt.