Kongress 2009

Positionspapier 1: Arbeitsbedingungen

[ Zurück zur Übersicht Kongress 2009 ]

Wachsendes GAV-Inventar

Das einzige wirksame Mittel gegen die personalfeindlichen Auswirkungen von Liberalisierung und Privatisierung sind Gesamtarbeitsverträge. Sie regeln die Bedingungen, wo sonst der Ausbeutung Tür und Tor geöffnet wären. Gesamtarbeitsverträge ermöglichen es, Standards festzusetzen, die sowohl den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als auch den Unternehmen Sicherheit geben, indem gemeinsam der Rahmen des wirtschaftlichen Wettbewerbs festgelegt wird. So sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Lohndumping geschützt und die Unternehmen gegen Konkurrenten, die zulasten des Personals und der Qualität mit Billigangeboten in Ausschreibungen antreten.

Zu Beginn dieses Jahres umfasst das GAV-Inventar des SEV 53 Firmenverträge, 4 kantonale Verträge (BE, NE, SG, VD) sowie als ersten nationalen Vertrag den Rahmenvertrag für das Personal des regionalen Personenverkehrs.

Lohndumping verhindern

Der Kostendruck auf die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs nimmt zu, unabhängig davon, ob sie im Wettbewerb stehen oder nicht. Im regionalen Personenverkehr drängen die bestellenden Kantone auf mehr Leistung zu gleichem Preis oder zu tieferen Preisen für die gleiche Leistung. Im Personenfernverkehr steigert die SBB laufend Leistung und Produktivität, um mit höheren Gewinnen das Wohlwollen der Politik zu erlangen. Im Güterverkehr sind die Auswirkungen des Wettbewerbs bekannt; nun kommen noch die Auswirkungen der Wirtschaftskrise hinzu.

Während sich in vielen Teilen der Schweiz die erste Ausschreibungseuphorie etwas gelegt hat, weil offenkundig ist, dass die Kosteneinsparungen zu vernachlässigen sind, wenn das Personal fair behandelt und die Qualität nicht vermindert wird, halten einzelne Kantone weiter hartnäckig daran fest. Vor allem drängt jedoch die EU weiter auf Liberalisierung und Marktöffnung. Das dritte Eisenbahnpaket soll die vollständige Öffnung des Personenfernverkehrs bringen. Es ist zu befürchten, dass die Schweiz einmal mehr Musterknabe spielen will und dem Wettbewerb die Schienen öffnet, während angrenzende EU-Staaten einen hartnäckigen Protektionismus pflegen.

Als Folge der Vereinbarung des ersten nationalen Rahmen-GAV im regionalen Personenverkehr haben Gewerkschaften und Arbeitgeberverband gemeinsam den Bund aufgefordert, die Möglichkeit zu prüfen, ob das Entsendegesetz im internationalen Schienengüterverkehr zur Anwendung kommen kann, womit die Regeln des Ziellandes gelten würden. Die Antwort steht noch aus.

Drei Vertragsebenen

Der SEV entwickelt seine Vertragspolitik auf den drei Ebenen – Unternehmen, Kanton, national – weiter. Er setzt sich zum Ziel, mit allen Firmen des öffentlichen und touristischen Verkehrs, deren Personal dem SEV angeschlossen ist, einen kollektiven Arbeitsvertrag abzuschliessen.

Auf der nächsten Ebene stehen die kantonalen Rahmenverträge, die insbesondere im Regionalverkehr auf Schiene und Strasse Regeln festschreiben. Sie garantieren, dass sich Anbieter bei Ausschreibungen keine Wettbewerbsvorteile auf dem Buckel des Personals verschaffen können und sie sichern Übernahmeregeln, die das Personal vor Arbeitsplatzverlust schützen.

Höchste Verbindlichkeit bringen nationale Rahmenverträge, die für allgemeinverbindlich erklärt werden. Diese setzen Standards für ganze Branchen, und es ist anzustreben, dass sie mit Hilfe bilateraler Verträge auch gegenüber der EU durchgesetzt werden können.

Vertragsentwicklung

Der SEV bleibt auf allen drei Ebenen der Vertragspartnerschaft aktiv. Er ist laufend im Einsatz, um weitere Firmen-GAV abzuschliessen und bestehende zu verbessern. Die grosse Herausforderung sind in den kommenden beiden Jahren die Verhandlungen um den GAV SBB/Cargo. Der SEV wird mit einem klaren Forderungspaket in diese Verhandlungen einsteigen, das die Delegierten der GAV-Konferenz rechtzeitig erarbeiten werden.

  1. Der SEV setzt sich dafür ein, dass Umstrukturierungen sozialverträglich umgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für die räumliche oder organisatorische Verlagerung von Arbeitsplätzen innerhalb der Unternehmen und über deren Grenzen hinaus.

In mehreren Kantonen sind die Arbeiten an einem kantonalen Rahmen-GAV im Gang oder werden in den kommenden Monaten aufgenommen; nächste Abschlüsse sind in den Kantonen Tessin, Genf und Zürich zu erwarten.

Auf nationaler Ebene steht der Abschluss eines Rahmen-GAV für den Güterverkehr und den Personenfernverkehr im Vordergrund. Dieser soll die Bedingungen im nationalen wie auch im grenzüberschreitenden Güterverkehr standardisieren, und zwar auf Schweizer Niveau.

Wo die erforderlichen Abschlüsse vorliegen, ist jeweils eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung unser Ziel.

  1. In allen Arbeitsbereichen des Luftverkehrs haben Gesamtarbeitsverträge zentrale Bedeutung, da diese Branche voll liberalisiert ist und der Kostendruck aufs Personal abgewälzt wird. Es entsteht die perverse Situation, dass Fliegen trotz allen ökologischen Nachteilen günstiger ist als Reisen mit der Bahn. Das bekämpft der SEV im Interesse des Personals und fairer Anstellungsbedingungen, und ebenso im Interesse der Umwelt.

Arbeitszeitgesetz (AZG)

Das AZG hat unter anderem die Funktion, die Sicherheit und Gesundheit des Personals im öffentlichen Verkehr zu schützen. Eine Nichteinhaltung der Bestimmungen durch zu kurze Nachtruhen, zu lange Dienste, zu wenig Ruhetage usw. kann die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefährden. Mit Verletzungen der AZG-Bestimmungen versuchen Transportunternehmen, sich wettbewerbsverzerrende Vorteile zu schaffen. Wettbewerbsvorteile durch AZG-Verletzungen sind für den SEV untragbar.

Bundespersonalgesetz (BPG)

Die vom Bundesrat lancierte Vernehmlassung für eine Revision des BPG sieht viele Verschlechterungen für das Personal vor. Es besteht die Gefahr, dass diese auch im öV-Bereich durchgesetzt werden sollen. Die Erfahrungen des SEV mit dem BPG sind trotz ursprünglicher Befürchtungen weitgehend positiv und es besteht keinerlei Handlungsbedarf für eine BPG-Revision. Die Bestimmungen für SBB-Personal dürfen nicht aus dem Bundespersonalgesetz gestrichen werden. Die SBB zu 100% in Bundesbesitz. Entsprechend ist der Bund – vertreten durch die SBB-Leitung – Arbeitgeber für die SBB-Mitarbeitenden. Nur schon aus diesem Grund ist es folgerichtig, dass diese dem BPG unterstellt sind.