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Officine Bellinzona

Viel ungenutztes Potenzial

Bei einem weiteren Treffen der Diskussionsplattform hat die SBB einige Aspekte aus dem «Projekt Officine» vorgestellt. Als Antwort darauf haben die Personalvertreter/innen ihre Positionen präsentiert.

Die Angestellten in den Officine Bellinzona sind besorgt.

Es war der Mediator der Diskussionsplattform – der Anwalt Franz Steinegger – der das Treffen einberufen hat. Damit wollte er den Parteien die Möglichkeit bieten, die zahlreichen Gesichtspunkte der zukünftigen Entwicklung der Officine Bellinzona vertieft zu diskutieren. Dabei ging es vor allem um einen Grundsatzentscheid, den der SBB-Verwaltungsrat im Beisein der zwei Staatsräte Christian Vitta und Claudio Zali gefällt hatte.

Zunächst stellten die SBB ihre aktuellen Absichten ausführlich vor: Aufgrund einer Analyse verschiedener Szenarien ist die SBB von der Möglichkeit überzeugt, dass im Tessin innert acht bis zehn Jahren ein neues Industriewerk realisiert werden könne. Dieses soll mindestens den Dimensionen des bestehenden Werks entsprechen (laut der SBB wäre sogar eine Vergrösserung der Fläche um bis zu 20% denkbar) und so geplant werden, dass es den Bedürfnissen für die Wartung moderner Reisezüge entspricht.

Die SBB hat unter Angabe eines klaren Zeithorizonts versichert, dieses neue Werk mit dem Unterhalt der Giruno-Züge, die künftig auf der Gotthard-Linie verkehren werden, und der neuen SBB-Neigezügen zu beauftragen.

Ferner soll das neue Werk auch sämtliche Wartungsarbeiten übernehmen, die zurzeit in den Tessiner Sitzen von P-OP – also den ehemaligen Depots in Bellinzona und Biasca – ausgeführt werden.

Den Plänen der SBB stehen jedoch einige Hindernisse im Weg, vor allem bezüglich der Trägerschaft der nötigen Investitionen, des Zeitplans und nicht zuletzt wird auch die Suche nach einem geeigneten Standort nicht leicht sein.

Die beiden Staatsräte haben dem Projekt ihre Unterstützung zugesprochen, da ein neues Werk die bestehenden entlasten und für andere wichtige Aufträge freihalten würde.

Der Inhalt ist wenig durchdacht

Die Personalvertreter/innen der Peko und der Gewerkschaften zeigten indes die Schwächen des Projektes auf. Sie stören sich grundsätzlich nicht – wie man vielleicht denken könnte – an der Idee, die Officine zu verschieben, sondern vielmehr daran, dass die SBB das Potenzial des einzigen Industriewerks auf der Gotthardachse, das südlich der Alpen liegt, nicht voll auszuschöpfen vermag. Bereits beim historischen Streik im Jahr 2008 hatte das Personal für die volle Ausschöpfung dieses Potenzial gekämpft und schlussendlich die SBB und den Kanton zur Realisierung des Kompetenzzentrum verpflichtet.

Diese Anstrengungen wären umsonst gewesen, wenn die SBB ihre Absichten durchsetzt, die einzig auf die Wartung von Reisezügen abzielen und die Bedürfnisse des Güterverkehrs links liegen lässt. Langfristig würde dies nämlich zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führen.

Für die Angestellten ist der richtige Weg ein anderer: Sie wünschen sich die Weiterentwicklung aller möglichen Auftragsbereiche, um die aktuelle Auftragslage aufrechtzuerhalten und von den Synergien profitieren zu können, die durch die Realisierung eines neuen Werks entstehend würden. Auf diese Weise könnte die Idee einer «neuen Officina» eine wahre Entwicklungschance sein für die ganze Region und ihre Einwohner/innen sein.

Diese Forderung wurde beim Treffen der Diskussionsplattform geäussert und muss bei der Gründung eines neuen Werks berücksichtigt werden. Ausserdem soll sie in die Absichtserklärung aufgenommen werden, welche der Staatsrat und die SBB angesichts der erwähnten Sitzung des SBB-Verwaltungsrats erstellen sollen. Es sollen sämtliche möglichen Auftragsbereiche untersucht werden. Diese Sicherheit genügt dem Personal natürlich nicht, aber so wird die Diskussion um die Officine aufrechterhalten. Denn schliesslich geht es nicht nur um ihren Standort, sondern vielmehr auch um die Arbeitsplätze in der ganzen Region.

Pascal Fiscalini/kt