Peter Moor geht Ende September in Pension

«Wir müssen schneller und interaktiv kommunizieren»

Der SEV muss in der schnellen Kommunikation noch schneller werden – und noch offener für den Austausch mit den Mitgliedern über digitale Medien, empfiehlt der abtretende Leiter Kommunikation.

kontakt.sev: Du bist im Februar 2006 von der SBB- in die SEV-Kommunikation gekommen: Warst du gewerkschaftlich «vorbelastet»?

Peter Moor: Vom Moment an, als ich Geld verdiente, bin ich stets auch Gewerkschafter gewesen. Anfänglich als Lehrer im VPOD. Als Journalist bin ich dann in der Journalistenunion gewesen, und als Radiomitarbeiter beim SSM. Beim Wechsel zur SBB bin ich dem SEV beigetreten.

Bei einer Gewerkschaft zu arbeiten war aber kaum dein langfristiges Ziel?

In den 80er-Jahren, als ich politisch sehr engagiert war, hätte ich nie gedacht, dass ich je in einer Gewerkschaft arbeiten würde, weil diese damals weit rechts von meiner Partei standen. Das hat sich seither verschoben, sodass heute die Gewerkschaften in gewissen Fragen eher links von der Partei stehen. Ich habe mich immer politisch betätigt, aber es ist sicher nicht geplant gewesen, dass ich zum SEV kam. Es ergab sich dann aus zwei Gründe: Einerseits habe ich bei der SBB in der internen Kommunikation gearbeitet, die ich immer auch als Anwalt des Personals innerhalb des Unternehmens verstanden habe. Diese Aufgabe wurde immer schwieriger, weil sich der Umgang mit dem Personal bei der SBB in jenen Jahren rasant verschlechterte. Andererseits ist beim SEV die Stelle des Infobeauftragten frei geworden, und Pierre-Alain Gentil, der damals Präsident war, hatte spannende Ideen. Er war für mich eine sehr faszinierende Persönlichkeit. Also habe ich mich beworben.

Bei der SBB hat sich das Klima schon verändert, bevor Andreas Meyer 2007 CEO wurde?

Ja, schon unter Benedikt Weibel ist es immer schwieriger geworden, eine offene Kommunikation zu führen, und das hat uns das Leben sehr schwer gemacht.

Peter Moor an der Kundgebung für AHVplus am 10. September in Bern.

Pierre-Alain Gentil hat dich später vom Infobeauftragten zum Leiter Kommunikation SEV befördert, und du hattest ein sehr weites Aufgabengebiet. Müsste aber nicht auch die Werbung dazugehören?

Kein Organigramm ist je fertig entwickelt. Ich glaube aber auch, dass es im SEV einen Bereich Werbung und Kommunikation geben sollte, der weit oben in der Organisation angesiedelt sein müsste.

2009 hast du die zuvor optisch sehr verschiedenen Sprachausgaben der SEV-Zeitung zum kontakt/contact/contatto.sev zusammengeführt. Damit wurde die Zusammenarbeit mit der Unia beim «Evénement syndical» beendet. Warum hat sich der SEV für eine eigene Zeitung entschieden?

Vorher war ja eine Fusion mit der Gewerkschaft Kommunikation versucht worden und gescheitert. Damit war klar, dass sich der SEV intern stärken musste. Für mich stand im Mittelpunkt, dass wir einen möglichst geschlossenen Auftritt in der ganzen Schweiz haben, um uns als gesamtschweizerische Gewerkschaft zu zeigen. Daher hatte ich das Ziel, die Sprachausgaben einander optisch und inhaltlich anzunähern, ohne aber einen Einheitsbrei zu machen.

Sollte der SEV seine Zusammenarbeit mit den andern SGB-Gewerkschaften und dem SGB bei der Kommunikation verstärken?

Es ist häufig so, dass die Kommunikation Entwicklungen vorwegnimmt. Das könnte auch hier der Fall sein. Ich bin überzeugt, dass die Dienstleistungsgewerkschaften nur miteinander eine Zukunft haben.

Wie steht es heute um die Zusammenarbeit?

Im Moment tauschen wir zum Teil Artikel aus. Wenn die Kommunikation SEV sich jetzt weiterentwickelt, stellt sich die Frage, ob wir im gedruckten Bereich gemeinsam mit andern Gewerkschaften mit ähnlichen Anliegen ein gemeinsames Produkt machen könnten, das stark dem gewerkschaftlichen Grundgedanken und weniger der Einzelgewerkschaft verpflichtet ist.

Sollte der SEV bei der Kommunikation auch mit ausländischen Gewerkschaften stärker zusammenarbeiten?

Ich bin ja bei den Vierländertreffen der deutschsprachigen Bahngewerkschaften stets dabei gewesen. Diese Treffen verbinden uns zwar, zeigen aber auch, wie verschieden wir sind. Ich glaube, international ist es sehr schwierig, über den Austausch einzelner Texte hinaus irgendetwas Gemeinsames anzustreben. Es reicht, dass wir die gleichen Zielsetzungen haben.

Warum wird im SEV zurzeit eine neue Kommunikationsstrategie erarbeitet?

Die Medien sind von der digitalen Entwicklung wahrscheinlich noch stärker betroffen als andere Bereiche. Inzwischen haben schon drei Viertel der 70-Jährigen ein Smartphone. Das ist das Kommunikationsmittel der Zukunft. Diese Entwicklung darf man als Organisation nicht verpassen. Das bedeutet nicht, dass nur noch das Smartphone gelten soll, aber es gehört einfach dazu. Und das führt automatisch dazu, dass man die andern Kanäle neu anschauen muss, weil man ja nicht unbeschränkt Geld hat.

Wie weit ist die Strategie heute schon entwickelt?

Wir sind am Auswerten der Befragungen. Bis im Oktober sollte daraus eine generelle Strategie entstehen, die der Vorstand genehmigen kann, zusammen mit einem Budget, worin er entscheiden muss, wie viel ihm die Kommunikation in Zukunft wert ist. Danach werden die einzelnen Produkte im Detail entwickelt.

Kannst du uns dazu ein paar persönliche Ideen mit auf den Weg geben?

Ich vertraue darauf, dass der SEV auf Papier und digital als eigenständige Organisation stark auftritt. Sicher ganz entscheidend ist, dass der SEV in der schnellen Kommunikation noch schneller wird. Aber auch, dass er offener wird für den Austausch: Bisher haben wir vor allem eine Einwegkommunikation gemacht, bei der wir Kommunikator/innen gesendet haben, und unsere Mitglieder haben empfangen. Die digitalen Medien ermöglichen es nun, ohne grossen Aufwand in beide Richtungen zu senden. Ich hoffe, dass der SEV dann auch eine gute Antenne hat und auf Empfang gestellt ist, wenn sich die Mitglieder äussern.

Wie schätzt du die öffentliche Meinung in der Schweiz über die Gewerkschaften ein?

Das Bild der Gewerkschaften ist wirklich zwiespältig: Es gibt Leute, die das politische Gewicht der Gewerkschaften sehr hoch einschätzen. Andererseits glauben viel zu viele Leute gerade in der jüngeren Generation, dass es die Gewerkschaften nicht mehr braucht, weil sie die Errungenschaften der Gewerkschaften nicht mehr als deren Errungenschaften erkennen. In diesem Zwiespalt bewegen wir uns.

Wie können die Gewerkschaften ihr Image verbessern?

Die Schwierigkeit ist sicher, dass die Gewerkschaften per se eine gewisse reaktionäre Haltung haben. In einer Welt, in der sich alles bewegt und laufend verändert, sind die Gewerkschaften für viele der Ort, wo es noch ein bisschen bleibt, wie es war. Das ist gut für jene Leute, die dabei sind, aber schlecht für jene, die erreicht werden sollten. Die Gewerkschaften müssen sicher zeigen, dass sie nicht nur verhindern, sondern auch ermöglichen wollen. Die abwehrende Haltung gegen alles, was sich verändert, tragen vor allem die Jungen nicht mit, denn sie sind offen für Neues. Darum muss der SEV Veränderungen begleiten, wie er das schon immer getan hat. Er muss die Mitglieder, die noch die alte SBB idealisieren, davon überzeugen, dass es nie mehr so wird und trotzdem gut werden kann, und dass es dafür aber eine starke Gewerkschaft braucht.

Wie können Kolleg/innen, die noch nicht im SEV sind, geworben werden?

Bei der Bahn hatte der Gewerkschaftsbeitritt früher Tradition, auch bei den Verwaltungsangestellten, von denen ein grosser Teil auf einem Bahnhof angefangen hatten. Heute aber kommen viele nicht mehr aus der Bahnbranche, sogar bei den Zugverkehrsleitern. Gerade den Quereinsteigern müssen wir zeigen, dass die guten Anstellungsbedingungen ein Verdienst der Gewerkschaft sind. Viele denken einfach: «Das ist ein toller Arbeitgeber.» Daran müssen wir arbeiten.

Du bist auch Präsident der SRG-Mitgliedgesellschaft Aargau-Solothurn. Warum braucht es eine staatlich finanzierte SRG?

Die SRG wird eben gerade nicht staatlich finanziert, sondern über Gebühren, und sie ist somit vom Staat unabhängig. Damit hat sie die bestmögliche Organisationsform, die es für ein Medium gibt. Denn bei allen anderen Medien, die von Verlegern oder sogar Aktionären getrieben sind, geht es nicht darum, Öffentlichkeit zu schaffen, sondern Geld zu verdienen. Das ist der ganz wesentliche Grund, warum es die unabhängig finanzierte SRG mehr denn je braucht.

Was fängst du mit der gewonnenen Freizeit an?

Bei der SRG habe ich einige weitere Aufgaben übernommen. Ich werde auch weiterhin über Verkehr schreiben, wie und wo ist noch offen. Zudem kann ich mir vorstellen, für weitere Organisationen, die im Dienst der Allgemeinheit tätig sind, etwas zu tun. Und ich übernehme einen grossen Teil der Haushaltarbeiten, weil meine Frau noch ein paar Jahre berufstätig bleibt.

Markus Fischer

BIO

Peter Moor (59) wuchs in Olten in einer «Service-public-Familie» auf: ein Grossvater arbeitete in der SBB-Werkstätte, die Eltern als Monteur und Telefonistin bei der PTT und sein älterer Bruder bis heute bei der SBB. Peter bildete sich zum Primarlehrer aus, studierte neben dem Unterricht an der Uni Zürich Politikwissenschaften, die es noch gar nicht als eigene Studienrichtung gab, und wurde Journalist beim Aargauer Tagblatt, der Solothurner AZ und der Coop-Zeitung, ab 1987 dann beim Regionaljournal Aargau-Solothurn von Radio DRS. Ab 1996 leitete er das Regionalstudio. Im Jahr 2000 wechselte er in die Sportredaktion und 2002 zur SBB als Leiter der internen Kommunikation und Produzent der SBB-Zeitung. 2006 wurde er beim SEV Infobeauftragter und später Leiter Kommunikation; Ende diesen Monats geht er in Pension. Für die SP Olten ist er seit 1981 in kommunalen Kommissionen tätig, zur- zeit in der Einbürgerungskommission. Seit 2012 präsidiert er den Verein SRG AG/SO und gehört dem Vorstand der SRG Deutschschweiz an.

Er wohnt mit seiner Frau in Olten und hat zwei erwachsene Kinder. Hobbys: Kochen, Joggen, Lesen, Texten.