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1.-Mai-Rede von Giorgio Tuti, Präsident SEV und Vizepräsident SGB, auf dem Bundesplatz in Bern

«Wir müssen die AHV stärken, die für 2/3 der Leute das wichtigste Einkommen im Alter darstellt»

Visto che qui sulla piazza ho visto molti compagni e molte compagne di lingua italiana, prima di iniziare il mio discorso in tedesco, ci tengo a salutarvi nella vostra – nella mia madrelingua. Buon giorno a tutti.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen

In diesem Haus – im Bundeshaus – betreibt man zurzeit eine Politik, die nicht aufgehen wird. Hier werden Steuergeschenke an Reiche beschlossen. Hier werden Steuergelder in die Armee und in die Landwirtschaft gesteckt und das nicht zu knapp. Gleichzeitig werden massive Sparübungen durchgezogen auf Kosten der Normalsterblichen, auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Familien, der Jugend und der Rentnerinnen und Rentner. Diese Politik wird aber nicht aufgehen, denn das Volk wird sich dagegen wehren. Es wird sich auf der Strasse und an der Urne dagegen wehren. Das ist sicher!

Nehmen wir als Beispiel die Renten. Nehmen wir die AHV – unsere AHV.

Privatversicherer und Banken, bürgerliche Parteien, Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände versuchen seit Jahren die AHV schlecht zu reden, um sie zu verschlechtern. Man könnte sagen, dass sie es schon seit der Entstehung im Jahre 1948 probieren. Wie oft haben wir erlebt, dass diese Kreise unter dem Vorwand von Horrorszenarien versucht haben die AHV zu demontieren. Erhöhung des Rentenalters, Verschlechterung der Leistungen und das Kappen des Teuerungsausgleiches waren jeweils ihre Rezepte. Wir haben diese Pläne stets mit Referenden bekämpft und das auch erfolgreich. Und wir sind auch weiterhin dazu bereit, für unsere AHV zu kämpfen.

Es ist klar, dass ihnen die AHV durch ihr geniales, auf Solidarität basierendes Finanzierungssystem ein Dorn im Auge ist.

Es ist klar, dass Gutverdienende dagegen sind, denn sie bezahlen Beiträge auf ihren hohen Löhnen und bekommen dadurch nicht mehr als die Maximalrente, die für alle gleich ist. Und das ist übrigens auch richtig so; denn das ist die Solidarität gegenüber denjenigen, die kleine und mittlere Löhne haben.

Und es ist auch klar, dass sich die Privatversicherer und die Banken dagegen wehren, denn sie verfolgen ein anderes Interesse. Sie reden die AHV schlecht und wollen sie verschlechtern, damit sie mit den Pensionskassen und der dritten Säule ihr Geld verdienen können. Denn da – liebe Kolleginnen und Kollegen – ist für sie Geld zu holen. Bei der 2. Säule werden jährlich Gewinne in der Höhe von 680 Mio. Franken erzielt, und für die Verwaltung der Anlagevermögen und für Werbung werden jährlich rund 5,8 Mia. vom Sparkapital der Versicherten abgezogen.

Darum erst recht! Wir müssen die AHV stärken. Und das umso mehr, wenn wir bedenken, dass für 2/3 der Leute in diesem Land die AHV das wichtigste Einkommen im Alter darstellt und die AHV-Renten seit 1975 real nicht mehr erhöht wurden.

Nun haben wir die Gelegenheit dazu mit einem wuchtigen JA zur AHVplus-Initiative, die am 25. September vor das Volk kommt. Mit einem wuchtigen JA holen wir uns die überfällige und nötige Rentenerhöhung. Dabei geht es um einen Zuschlag von 10% auf den neuen und den bestehenden Renten, und das macht rund 200.--/Monat für Alleinstehende und rund 350.--/Monat für Ehepaare aus. Und das hat nichts mit Luxus zu tun, das ist bitternötig. Finanziert wird das Ganze durch eine kleine Erhöhung der AHV-Beiträge um 0,4% für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist gut investiertes Geld für eine spürbare Erhöhung der AHV-Renten. Die Rentnerinnen und Rentner brauchen sie; denn nicht alle Rentnerinnen und Rentner wohnen in Herrliberg am Zürichsee. Darum JA zu unserer AHVplus-Initiative!

Aber es wird in nächster Zeit nicht nur um Renten gehen, sondern auch um Löhne und um Arbeitsplätze. Spätestens seit dem katastrophalen geldpolitischen Fehlentscheid der Nationalbank ist es für alle klar und spürbar, dass die damit hausgemachten und ausgelösten Probleme für gewisse Branchen und Betriebe nun die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausbaden dürfen. Und auch in Branchen und Betrieben, die weniger oder gar nicht davon betroffen sind, heisst es: Gürtel enger schnallen, flexibler arbeiten und konkurrenzfähiger werden, mehr abends, nachts und sonntags arbeiten und dazu noch gratis Überstunden leisten.

Den Bürgerlichen und Arbeitgebern scheint diese ganze Diskussion gerade recht zu kommen. Sie wittern Morgenluft, wollen sich daraus stärken, profitieren von dieser Situation, um Arbeitsplätze auszulagern oder abzubauen. Ja, sie wollen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer handzahm machen und dadurch die Gewerkschaften schwächen. Und das – Kolleginnen und Kollegen – das lassen wir nicht zu, auf keinen Fall!  Wir kuschen nicht und lassen uns erreichte Fortschritte nicht nehmen.

Was wir brauchen ist, dass die Nationalbank wieder einen Mindestkurs festlegt. Und im Rahmen der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative müssen einerseits die bilateralen Verträge mit der EU gesichert werden und andererseits müssen parallel dazu die flankierenden Massnahmen gestärkt und nicht geschwächt werden. Das brauchen wir!

Wir brauchen Instrumente um gegen Lohndumping vorzugehen, wir brauchen einen stärkeren Kündigungsschutz, wir brauchen mehr Kontrollen bei den Arbeitsbedingungen und bei den Löhnen und wir brauchen mehr allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsverträge. Dafür müssen wir kämpfen und dafür werden wir auch kämpfen!

Und das gilt für alle Branchen. Das gilt auch für die sogenannte öffentliche Branche. Den Service Public. Denn selbst in einer sogenannt gut regulierten Branche wie dem öffentlichen Verkehr steigt der Druck auf die Arbeitsbedingungen und die Löhne. Denn anders als Lohndumping kann man es nicht nennen, was eine Güterverkehrsunternehmung mit Hauptsitz in Antwerpen und zwei Tochterunternehmungen in der Schweiz und in Italien versucht hat. Die Crossrail wollte italienische Lokführer in der Schweiz zu sFr. 3600.--/Monat einsetzen! Wir vom SEV – der Gewerkschaft des Verkehrspersonals – konnten dies verhindern. Dank einem guten Organisationsgrad und Dank einem energisch und kompromisslos geführten gewerkschaftlichen Kampf gegen die Unternehmung und gegen die politischen Behörden. Wir haben gekämpft und wir haben gewonnen! Es fährt kein Lokführer zu sFr. 3600.--/Monat auf dem schweizerischen Schienennetz. Das ist gut und auch richtig so!

Und wenn ich schon beim Service Public bin, möchte ich aufgrund der Aktualität noch etwas zu einer Vorlage sagen, über die es am 5. Juni abzustimmen gilt. Es ist die Pro Service Public-Initiative. Ein netter Titel mit einem für den Service Public schädlichen Inhalt. Dabei denke ich sicher nicht an die Löhne der CEO der SBB, der Post und der Swisscom, die durch die Annahme dieser Initiative massiv gekürzt würden. Das wäre ja toll und ich wäre der Erste, der dafür wäre. Bei dieser Initiative geht es aber auch um ein Verbot von Quersubventionierungen. D.h., dass die Unternehmen in Zukunft nicht mehr mit den Gewinnen von rentablen Unternehmensteilen wie z.B. dem Fernverkehr, andere eben nicht rentable Unternehmensteile wie zum Teil den Regionalverkehr finanzieren dürften. Aber Quersubventionierungen machen einen guten Service Public erst möglich! Den Service Public stärken heisst, diese Initiative abzulehnen.

Kolleginnen und Kollegen, es gilt weiterhin zusammenzustehen und gemeinsam zu kämpfen mehr denn je – für  Würde und soziale Gerechtigkeit, für Arbeit, für gute Arbeitsbedingungen und für einen guten Service Public.

E visto che ho iniziato il discorso in italiano lo vorrei terminare augurandovi, care compagne e compagni, una bella festa – la nostra festa – e una bella giornata.

Evviva il primo maggio!