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Reorganisation der Bildung SBB

Stellenabbau und tiefere Einreihungen

Ab 1. September arbeitet die Bildung SBB in einer neuen Organisation. 33 Mitarbeitende wurden im April stellenlos, 16 sind es noch heute, 28 erhielten ein tieferes Anforderungsniveau. Beim SEV gingen viele Klagen zum Umgang mit dem Personal ein. Wir sprachen mit Betroffenen.

Formatierung des SBB-Personals in der Bildungsfabrik. Der SEV bedauert, dass die Ausbildner/innen nur noch vorfabrizierte Kurse erteilen und die Kursentwicklung anderen überlassen sollen: Klaren Prozessen zuliebe werden sie zu Rädchen eines Getriebes degradiert, statt dass man ihre Kompetenzen nutzt.

Die Bildung SBB wurde im April 2014 mit Mitarbeitenden, die zuvor in den SBB-Divisionen und beim Ausbildungsverbund Login tätig waren, in der Abteilung Human Resources des Konzerns SBB neu geschaffen. Sie hat bisher wegen unnötiger Schnittstellen und Doppelspurigkeiten nicht optimal funktioniert, wie Mitglieder dem SEV bestätigten. Daher bekämpfte er die im Frühjahr kommunizierte erneute Reorganisation nicht grundsätzlich.

Abbau von 52 Stellen

Der SEV kritisierte aber den Umfang und die Umsetzung des Stellenabbaus. Von den bisher rund 412 Vollzeitstellen (FTE) der Bildung SBB fallen 52 weg. 23 entfallen laut SBB im Jahr 2017 durch natürliche Fluktuation, Beendigung befristeter Anstellungen und Reduktionen des Beschäftigungsgrads von Ausbildner/innen, die daneben auch in ihrem angestammten Beruf tätig sind. Die andern 29 Stellen wurden bereits per 1. September 2016 gestrichen. Davon betroffen waren 33 Mitarbeitende: Sie erfuhren im April, dass sie per 1. November stellenlos würden. Von ihnen ging einer in den vorzeitigen Ruhestand. Drei erhielten die Kündigung, weil sie seit weniger als vier Jahren bei der SBB arbeiten. Die übrigen 29 wussten, dass sie dank dem GAV im November ins Arbeitsmarktcenter (AMC) der SBB wechseln könnten, falls sie bis dann keine Stelle finden würden.

28 Mitarbeitendetiefer eingereiht

Insgesamt waren 114 Mitarbeitende von Stellenaufhebungen betroffen, doch wurden 81 für neue, veränderte Stellen nominiert. 28 von ihnen mussten aber wegen (angeblich) geringerer Anforderungen ein tieferes Anforderungsniveau akzeptieren, sonst riskierten sie die Stellenlosigkeit. Das ist für sie wenig motivierend, besonders für jene 13, deren Lohnbesitzstand nach zwei Jahren enden soll. Bei 35 der veränderten Stellen stieg das Anforderungsniveau, bei den andern blieb es gleich.

Weil später einige Nominierte kündigten, sank die Zahl der Stellenlosen bis Ende August auf 16. Noch immer keine neue Stelle gefunden haben die drei Gekündigten, von welchen einer über 55 Jahre alt ist …

Fragwürdiges Nominierungsverfahren

Am 4. April wurden endlich alle Mitarbeitenden in Ittigen über die Reorganisation informiert, die seit einem Jahr vorbereitet wurde und zu allerlei Gerüchten führte. In den folgenden Tagen erfuhren die 114 von Stellenaufhebungen Betroffenen von ihren direkten Vorgesetzten, ob sie in der Bildung SBB weiterarbeiten können oder nicht. Die Stellenlosen kamen bei den Gesprächen zuerst dran, um sofort mit der Suche beginnen zu können. Die andern, die auf das Gespräch oft über eine Woche warten mussten, waren sich ihrer Stelle aber auch nicht sicher …

Alle Nominierungen hat das fünfköpfige Leitungsteam Bildung SBB offenbar bereits im Dezember vorgenommen. Im April gehörte nur noch eine dieser fünf Personen dem Leitungsteam an. «Es fällt auf, dass überproportional viele kritische, gewerkschaftlich engagierte Kolleg/innen stellenlos wurden», sagt Peter Käppler, Zentralpräsident des Unterverbands AS. «Nähe und Loyalität zu den Chefs scheint oft höher gewichtet worden zu sein als Erfahrung, Kompetenzen und Leistung.»

Dies bestätigt auch der direkt Betroffene Toni*: «Die Wahlkriterien für die Nominierungen waren wenig transparent, und das Gewicht lag wohl nicht auf Leistung und Erfahrung.» Ihm sagte man nur, er passe nicht mehr in die neue Organisation. Nach knapp 20 Dienstjahren.

Fadenscheinige Begründungen

Andrea* verlor ihre Stelle nach über 10 Jahren bei der SBB. «Man sagte mir, dass man loyale Leute brauche. Gegenüber dem Unternehmen bin ich aber immer loyal gewesen», betont sie. «Deshalb habe ich den Chefs auch meine Meinung gesagt, wenn ich etwas falsch fand.» Weiter sagte man ihr, sie sei ja «arbeitsmarktfähig». Tatsächlich hatte sie schon mit der dritten Bewerbung Erfolg – bei einem andern Unternehmen. Dass man weniger erfahrenen Mitarbeitenden eine Chance gibt, kann sie nachvollziehen, «doch es spielte auch Vitamin B mit. Wenig Verständnis hat sie dafür, dass in den letzten Monaten, als die Reorganisation schon in der Luft lag, mehrere Leute von extern angestellt wurden, die weder Bahnerfahrung noch besondere Kompetenzen mitbrachten.

Auch die Portfoliomanagerin Petra, die seit sechs Jahren bei der SBB arbeitet, hat den Eindruck, dass ihre Nichtnomination damit zu tun hat, dass sie kritische Fragen stellte. Zudem ist sie im SEV aktiv. Ihr wurde ebenfalls gesagt, dass sie «marktfähig» sei, und dass man ein gut durchmischtes Team wolle. Zudem sei sie «überqualifiziert» für die neue Funktion «Produktmanagerin» mit Anforderungsniveau H, welche die bisherigen Funktionen Portfoliomanager (AN H) und Bildungsplaner (G) ersetzt. Petra hat festgestellt, dass generell mehr Bildungsplaner/innen nominiert wurden, wohl um Lohnkosten zu sparen.

Knauserei und leere Versprechen

Petras Bewerbungen auf SBB-Stellen, die sie interessierten, blieben erfolglos, weil dafür Bachelor- oder Masterdiplome verlangt wurden. Deshalb entschloss sich die ehemalige Zugverkehrsleiterin für ein Informatikstudium und beantragte eine Abgangsentschädigung. Diese fiel sehr enttäuschend aus – es gilt die Schweigepflicht. Dennoch beschloss Petra, diesen Weg zu gehen.

Toni erkundigte sich über die Konditionen einer Abgangsentschädigung, wie man sie für Weiterbildungen, als Starthilfe in die Selbstständigkeit oder für Sprachaufenthalte beantragen kann. Man machte ihm mündliche Versprechungen, doch sein entsprechendes Gesuch wurde später abgelehnt. Er hat inzwischen extern eine Stelle gefunden.

Die beiden Fälle zeigen für Peter Käppler, dass die Abgangsentschädigungen genauer geregelt werden müssen. Die SBB sollte klarer definierte, bessere Angebote machen, weil sie Kosten spart, wenn Mitarbeitende nicht ins AMC eintreten.

Aus diesem Grund ist für Käppler auch klar, dass alle stellenlos gewordenen Mitarbeitenden, welche die SBB vor Ende Jahr verlassen, die per Ende 2016 vorgesehene Erhöhung ihres Pensionskassenkapitals um 12% vollständig erhalten müssen. Diese Kompensation ist Teil der Vereinbarung mit der SBB zu den Stabilisierungsmassnahmen bei der Pensionskasse SBB. Der Fall eines unfreiwilligen Austritts wegen einer Reorganisation ist darin nicht speziell geregelt.

Merkwürdiger Abgang der Chefs

Am 4. April erfuhr das Personal überrascht, dass der Leiter Bildung per sofort abgesetzt sei. Ein paar Wochen zuvor war ein anderes Leitungsteam-Mitglied – der Leiter des Reorganisationsprojektes – kurzfristig freigestellt worden. Bei zwei weiteren Mitgliedern des Leitungsteams stand am 4. April der Abgang schon fest. Die von oben vorgegebenen Sparziele könnten dabei eine Rolle gespielt haben.

«Bei uns müssen zu viele gehen», sagt Andrea, «das versucht man nun mit Temporären und Praktikanten aufzufangen. Es wurde alles so spät aufgegleist, dass ordentliche Übergaben kaum möglich sind.» Es ist eine schwierige Zeit für jene, die gehen, wie für jene, die übernehmen. Erstere erhalten auch nicht mehr alle Informationen. Beispielsweise mussten sie nachfragen, wo sie beim Umzug von Ostermundigen ins Wankdorf im September noch hinkommen, bevor sie dann gehen müssen.

Der SEV begleitet die Reorganisation weiterhin kritisch und bietet seinen Mitgliedern Beratung und Rechtsschutz an.

* Name geändert

Markus Fischer

Fabrik statt Kompetenzzentrum

SEV-Gewerkschaftssekretär Daniel Froidevaux bedauert, dass die Ausbildner/innen nur noch formatierte Kurse erteilen und die Kursentwicklung anderen überlassen sollen: «Klaren Prozessen zuliebe werden die Mitarbeitenden zu Rädchen einer Bildungsfabrik degradiert. Besser wäre ein Kompetenzzentrum, das die Kompetenzen der Mitarbeitenden nutzt, statt sie einzuschränken. Die Rollen lassen sich im realen Leben nicht so klar trennen.»

Daniel Froidevaux bedauert auch das Fehlen von Führungskräften französischer und italienischer Muttersprache in der Projektleitung und im Leitungsteam der Bildung SBB.

Fi