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Am 15. Juni haben Basismitglieder des SEV die Petition gegen Railfit 20/30 eingereicht

3000 Unterschriften gegen Railfit 20/30: das Signal der Basis

Am 15. Juni haben Vertreter/innen der SEV-Basis die Petition gegen «Railfit» offiziell an Vertreter/innen der SBB überreicht. Der Text, der 3000 Unterschriften trägt, wurde zum Sitz der SBB-Konzernzentrale in Bern gebracht. Dort trugen vier SBB-Angestellte einen Sarg herbei, um zu symbolisieren, was sie sich wünschen: die Beerdigung des Programms, das einen Abbau von mindestens 900 Stellen vorsieht.

Kathrin Amacker und Eveline Mürner vertreten die SBB-Spitze gegenüber den SEV-Mitgliedern, die neben 3000 Unterschriften auch einen Sarg für Railfit 20/30 mitgebracht haben.

Es ist Mittwoch, 15. Juni. Die Sonne scheint. Die Beerdigung von Railfit kann beginnen. Die Sargträger, Angestellte der SBB, setzen sich in Marsch, um der Delegation der SBB den Sarg zu überbringen. Ein feierlicher Augenblick. Die vier SEV-Mitglieder in Arbeitskleidung bewegen sich während der zweieinhalb Minuten, die das Stück «Railway Station» aus dem Film «Chat Noir Chat Blanc» dauert, 50 Meter vorwärts. Nachdem der Sarg abgestellt ist, gesellen sich weitere Mitglieder dazu und machen deutlich, dass sie sich für ein gutes Unternehmen und einen guten Service public einsetzen (vgl. Kastenmeldung). «Der Service public ist für uns eine Herzensangelegenheit. Man muss unbedingt in Erinnerung rufen, dass das Publikum Personal in den Zügen und auf den Bahnhöfen wünscht», so sagt es Angelo Stroppini, der Gewerkschaftssekretär, der die Tessiner Delegation begleitet. Symbolisch entnimmt er einem Karton eine Bluse einer Schalterangestellten, einen Helm eines Rangierers. «Die Petition will, dass genügend Arbeitsplätze geschaffen werden, um die Sicherheit und die Entwicklung des Schienennetzes zu gewährleisten, die Doppelbegleitung der Züge, einen qualitativ hochstehenden Verkauf überall in der Schweiz, den Rollmaterialunterhalt im Inland und die Beschränkung der Auslagerung an Subunternehmen.» Auf der anderen Seite stehen Eveline Mürner, Leiterin Personalpolitik der SBB, und Kathrin Amacker, Kommunikationsverantwortliche. Sie empfangen die Vertretung der Basis mit beruhigenden Worten: «Wir verstehen, dass die laufenden Analysen beunruhigen können. Diese Beunruhigung betrifft auch uns; die Resultate von McKinsey werden im Herbst vorliegen. Die SBB steht vor grossen Herausforderungen. Die Ansprüche der Kund/innen und das Mobilitätsverhalten verändern sich extrem schnell. In diesem Umfeld muss die SBB wettbewerbsfähig bleiben und gegenüber der Kundschaft für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sorgen.

Diese Äusserungen bestätigen, was schon CEO Andreas Meyer in seiner Antwort auf eine erste Unterschriftenwelle, die ihn direkt erreicht hatte, gesagt hat. Letztlich hat er nun insgesamt rund 3000 Petitionsunterschriften erhalten. Wie wird der ehemalige Bundesbetrieb darauf reagieren? Die Antwort erfolgt im Herbst.

Klares Signal der Basis gegen das Projekt Railfit 20/30

Ein starker Moment bei dieser Petitionseinreichung, die Basis ergreift in drei Sprachen das Wort. Bruno Ryf, Vizepräsident TS-Romandie, René Zürcher, Präsident AS West, und Pascal Fiscalini, Vizepräsident des Unterverbandes ZPV, greifen zum Mikrofon, um klar ihre Meinung zum Projekt Railfit kundzutun. Nachfolgend einige Auszüge.

Bruno Ryf: «Herr Generaldirektor, meine Damen und Herren des Verwaltungsrats, liebe Mitglieder, liebe Kollegen – oder müsste ich sagen: teure, zu teure Kollegen? Das ist nicht abwertend, sondern der Ausdruck einer auf Profit bedachten Gesellschaft. Heute arbeiten Menschen für die Mobilität, morgen werden sie durch Maschinen ersetzt. (…) Das Rentabilitätsdenken hat einen Preis und der heisst Produktivität. Wo unser Unternehmen auf die Sparbremse tritt, füllt die Konkurrenz die Lücken. Raten Sie mal, wo die Befriedigung am grössten ist! Die Unternehmen, die die Antwort geben müssen, kennen die Magie der Zahlen. Wie Sie anlässlich der letzten Abstimmung feststellen konnten, geniesst der Service public noch eine hohe Wertschätzung. Wir wollen, dass dies so bleibt, jetzt und in Zukunft. (…) Im Alltag stellen wir fest, dass nicht alles zusammenpasst. Die Folge ist ein täglicher Kampf, und die Zufriedenheit der Kunden schwindet im Gleichschritt mit jener der Angestellten. Wir konnten uns bisher immer mit der Unternehmung identifizieren und spürten auch eine Wertschätzung, aber mit dem Programm Railfit geht das verloren.»

«Ich möchte auch in Zukunft stolz auf die SBB sein können»

René Zürcher, Präsident AS West: «Die SBB muss sparen, ok, aber wieso zuerst beim Personal? Für qualitativ gute Leistungen braucht es Personal, und Qualität hat ihren Preis. Ich möchte auch in Zukunft noch stolz auf meinen Beruf und unsere Unternehmung sein.»

René Zürcher fügt hinzu: «Trotz einiger Enttäuschungen war und bin ich immer noch stolz, ein Mitglied der Eisenbahnerfamilie zu sein. Stolz, die Schweiz in Bewegung zu setzen, stolz, für den Service public zu arbeiten, so wie die Schweizerinnen und Schweizer ihn lieben (…). Die SBB funktioniert wie ein Fahrrad, sie benötigt einen Rahmen; die Infrastruktur, Räder, das Rollmaterial, die Gebäude usw.; sie braucht einen Fahrer; den Auftraggeber, Verwaltungsrat und Geschäftsleitung. Um vorwärtszukommen braucht es aber eine Kette, diese wird stark gefordert, besonders wenn man den Berg hinauf fahren will, um hohe Ziele zu erreichen, die Kette muss unterhalten und gepflegt werden. Ich bin stolz, ein Glied dieser Kette zu sein. Die Kette wurde über die Jahre bereits um einige Glieder gekürzt, gleichzeitig das Angebot massiv gesteigert. Aber wenn man aus dieser Kette immer mehr Glieder entfernt, wird diese plötzlich zu kurz, um das Rad anzutreiben, sie wird angespannt, bis sie zerreisst. Es braucht jedes Glied, es braucht kompetente Mitarbeiter, die unsere Kunden vor und während der Reise professionell betreuen und beraten, es braucht Mitarbeiter mit einem Eisenbahn-Know-how, die sich bewusst sind, wie sich ihre Entscheide für unsere Kunden und für die SBB auswirken (…). Beim Radfahren trifft man auch auf Warnschilder, Ampeln, die beachtet werden sollten, dies sind die Sozialpartner. Und heute sind wir als Warnschild da. Die SBB muss sparen, ok, aber wieso zuerst beim Personal? Für qualitativ gute Leistungen braucht es Personal, und Qualität hat ihren Preis. Ich möchte auch in Zukunft noch Stolz auf meinen Beruf und unsere Unternehmung sein.»

Pascal Fiscalini ergänzt: «Liebe SBB, Sie haben wiederholt gesagt, die Kunden würden nichts von Railfit spüren. Der Verzicht auf die Zugbegleitung auf der Gotthard-Bergstrecke würde 60 Stellen kosten, davon 25 im Tessin. (...) Die schwächsten Kunden, Ältere, Menschen mit Behinderung und Familien trügen die Kosten. Wollen wir eines der beliebtesten Unternehmen des Landes sein, benieden von den Nachbarn, braucht es einen guten und vollständigen Service public. Die SBB muss ihr Konzept überdenken und dem Personal und der Kundschaft eine Bahn bieten, der man trauen kann.»

Vivian Bologna/pan.

Impressionen von der Veranstaltung

Fotos: Jörg Matter, SEV

Manuel Avallone: «Die SBB merkt, dass ‹Railfit› unrealistisch ist»

Er ist bei der Einreichung der Petition gegen «Railfit» dabei: Manuel Avallone, der Vizepräsident des SEV. Im Gespräch mit kontakt.sev spricht er über die Mobilisierung und das von der SBB gewollte Sparprogramm.

Manuel, die Basis des SEV und das Personal der SBB war bei der Unterschriftensammlung für diese Petition, die immerhin 3000 Unterzeichner gefunden hat, sehr aktiv. Das ist doch ein starkes Signal an die SBB?

Manuel Avallone spricht, Eveline Mürner, Leiterin Personalpolitik SBB, hört zu.

Ja, diese Petition ist ein starkes Signal, nachdem die SBB angekündigt hat, im Rahmen von «Railfit» mehr als 900 Stellen zu streichen. Mit 3000 Unterschriften aus dem ganzen Land wurde ein gutes Resultat erreicht, es sind immerhin rund 10 Prozent des gesamten Personals. Dies zeigt die Verbundenheit der Eisenbahner/innen mit ihrem Unternehmen und mit dem Service public. Erfreulich ist auch, dass die Unterschriften aus allen SEV-Unterverbänden stammen. Dies zeigt, dass das gesamte Personal von diesem Angriff auf die Angestellten und auf den Service public betroffen ist.

Die SBB hatte die Ergebnisse von McKinsey ursprünglich auf den Sommer angekündigt. Nun scheint es, dass die Szenarien erst im Herbst präsentiert werden. Was bedeutet das für dich?

Es zeigt, dass die SBB vorschnell ein unrealistisches Ziel festgelegt hat: das Budget bis 2020 um 550 Millionen jährlich zu entlasten und bis 2030 sogar um 1,75 Milliarden jährlich. Ausserdem hat die Streichung von 900 Stellen schon begonnen, denn die Reduktion rechnet vom Mitarbeiterbestand 2014 aus. Wir haben eine Übersicht verlangt, die zeigt, welches Sparpotenzial mit Stellenstreichungen und welches mit übrigen Projekten anvisiert wird. Bis jetzt haben wir aber noch nichts erhalten. Wir wissen, dass Infrastruktur bis 2020 500 Stellen streicht, davon die Hälfte im Bereich Unterhalt, aber für den Rest herrscht generelle Verschwommenheit. Dieser Personalabbau, auch wenn er über «natürliche Abgänge» geschieht, ist inakzeptabel, denn er geschieht auf Kosten derjenigen, die bleiben.Schliesslich leidet auch die Qualität des Service public, denn mit dem Angebotsausbau muss es auch zusätzliches Personal geben. Die Senkung der Bestände wird unausweichlich zu einer Senkung der Qualität und zu einer Zunahme von Zulieferern führen, was gleichbedeutend ist mit einem Verlust an Know-how. Dabei hat die Öffentlichkeit ihre Verbundenheit mit dem Service public gezeigt. Wir erwarten von der SBB; dass sie mehr auf ihre Mitarbeitenden hört, die ihr Arbeitsgebiet gut kennen. 3000 Unterschriften sind eine deutliche Botschaft. Möge die SBB sie hören.

vbo/pan.