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Bemerkenswerte Studie des Internationalen Währungsfonds

Schwäche der Gewerkschaften fördert die Ungleichheit

Wenn die Gewerkschaften schwächeln, steigen die höchsten Löhne: diesen Zusammenhang zeigt eine Studie des IWF.

Starke Gewerkschaften sind ein Mittel gegen den Anstieg der Spitzenlöhne. Dies ist – verkürzt – die Erkenntnis von zwei Forscherinnen des Internatio-nalen Währungsfonds IWF, die den Zusammenhang zwischen Gewerkschaftsstärke und Lohnungleichheit untersucht haben. Florence Jaumotte und Carolina Osorio Buitron, Ökonominnen der IWF-Forschungsabteilung, haben in der März-Ausgabe der IWF-Publikation «Finance&Development» nach Ursachen für die Ungleichheit in hoch entwickelten Gesellschaften gesucht. Ausgangspunkt ist ein Ansteigen des «Gini-Effizienten», der die Unterschiede zwischen untersten und obersten Einkommen darstellt.

Direkter Zusammenhang

Die Schlussfolgerung ist eindeutig: «Der Rückgang der gewerkschaftlichen Organisation hat den Anstieg der Toplöhne gefördert.» Üblicherweise würden Globalisierung und technische Entwicklung als Ursachen angeführt, wenn es um den Anstieg der Ungleichheit gehe, heisst es im Bericht. Tatsächlich aber sei die Schwächung der Gewerkschaften zwischen 1980 und 2010 die wesent- liche Ursache. Die Spätfolgen der gewerkschaftsfeindlichen Thatcher-/Reagan-Ära werden damit aufgedeckt.

Bisher war vor allem eine Verschlechterung der mittleren und unteren Einkommen mit der Gewerkschaftsschwäche in Zusammenhang gebracht worden. Dass aber nicht nur die unteren Lohnklassen leiden, sondern dass die Top-Einkommen ausdrücklich davon profitieren, ist die erschütternde neue Erkenntnis dieser Studie.

Politisches Handeln gefragt

Nun wäre es überraschend, wenn der IWF als Leuchtturm der Liberalisierung eindeutige Schlüsse aus der Studie ziehen würde: «Ob die Zunahme der Ungleichheit durch die Schwächung der Gewerkschaften gut oder schlecht ist, bleibt unklar», steht im Bericht ...

Immerhin: «Ungleichheit könnte der Gesellschaft schaden, da sie den Topverdienern ermöglicht, das wirtschaftliche und politische System zu manipulieren.» In diesem Fall wäre ein politisches Handeln angebracht, finden die Autorinnen. Als Beispiel schlagen sie eine Mitwirkung aller Stakeholder (also Mitarbeiter, Kader und Aktionäre) bei der Festlegung der Toplöhne vor.

Die Erkenntnisse dieser Studie dürften gut in die 1.-Mai-Reden passen!

pmo