Einstimmiger Entscheid des Tessiner Grossen Rats

Vorwärts zum Zentrum

Der Grosse Rat des Kantons Tessin hat seltene Geschlossenheit gezeigt und einstimmig die Vorlage zum kantonalen Kompetenzzentrum gutgeheissen.

Grossrat Ivan Cozzaglio bezeichnete in der Debatte das Industriewerk als die vierte Burg von Bellinzona.

Selbst die ehrwürdige «Neue Zürcher Zeitung» geht in ihrem Bericht auf die Seltenheit einer geschlossenen Haltung im Parlament ein. Diese sei eindeutig der massiven Unterstützung im Volk geschuldet, auf die das Industriewerk Bellinzona anhaltend zählen kann.

Vom Streik zur Initiative

Nur so lässt sich auch mit einigen Jahren Distanz der damalige Vorgang erklären, der Züge eines Volksaufstands hatte. Als das Ende des fünfwöchigen Streiks feststand, sprach Bundesrat Moritz Leuenberger in der Medienkonferenz von einem Problem beim «nationalen Zusammenhalt». In dieser Zeit hatte der Protest auch einen konkreten Vorschlag hervorgebracht in Form einer kantonalen Volksinitiative für die «Schaffung eines Industrie- und Technologie-Pols im öffentlichen Sektor», für die innert einer Woche 15 000 Unterschriften zusammenkamen. Die Kantonsregierung hatte in der Folge zwei Studien erstellen lassen, aus denen schliesslich der Vorschlag für die Schaffung eines Kompetenzzentrums entstand.

... und zur Vorlage

Die Idee dieses Zentrums ist es, alle Akteure zusammenzubringen, die daran interessiert sind, gemeinsam Projekte rund um die Bahnmobilität zu entwickeln. An der Stiftung, die fürs Zentrum gegründet worden ist, beteiligen sich neben dem Kanton auch die SBB, der Verein «Giù le mani dall’Officina», die Gewerkschaften SEV, Transfair und Unia, die Tessiner Fachhochschule, die regionalen Wirtschaftsförderungen der Regionen Bellinzonese und Mendrisiotto sowie die Stadt Bellinzona, wo der Gemeinderat wenige Tage zuvor ebenfalls die entsprechende Vorlage genehmigt hat.

Die Gründung des Zentrums erhielt die überzeugte Unterstützung aller politischen Gruppen, weil sie einen kräftigen Anstoss der industriellen Aktivitäten in diesem Sektor begrüssen. Anders ausgedrückt: Es geht darum, eine Gelegenheit beim Schopf zu packen und den Worten Taten folgen zu lassen. Ivan Cozzaglio, SP-Grossrat und Mitglied der Personalkommission im IW, erinnerte in der Debatte an die in der Machbarkeitsstudie geforderte «grosse finanzielle und Entscheidungsfreiheit des Betriebs» (also des Industriewerks, Anm. d. Red.).

Die Geschäftsprüfungskommission hat in ihrem Bericht darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, dass die SBB strategische Entwicklungsprojekte in die Zusammenarbeit mit den Bildungsanstalten einbringe, be- sonders am Anfang.

Die Rolle der SBB

Mehrere Redner wiesen darauf hin, dass die SBB bisher wenig Begeisterung für das Vorhaben gezeigt habe. Es gelte besonders darauf zu achten, wie sich die SBB zukünftig verhalte. Die SBB hat zwar die Gründungsurkunde mitunterzeichnet, aber seither noch nicht definitiv bestätigt, dass sie sich aktiv beteiligt, auch wenn die zuständige Regierungsrätin Laura Sadis betonte, dies sei lediglich noch eine Formsache. Kritik gab es auch an der Arbeitgeberorganisation und der Handelskammer, die sich nicht an der Stiftung beteiligen.

Mit dem Ja zur Vorlage und zum Kredit von 2,1 Millionen Franken geht es nun von der Projekt- in die operative Phase, in die – wie das Resultat im Parlament zeigt – im ganzen Kanton grosse Erwartungen und Hoffnungen gesetzt werden. 

Pietro Gianolli / pmo