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Ungeplante Mehrkosten bei der Instandhaltung: SBB beschliesst Sparmassnahmen

Netzunterhalt: viel Arbeit, aber zu wenig Geld

Mit dem Massnahmenprogramm «Finanzierung und Steuerung Bahnnetz» will bzw. muss die SBB Infrastruktur ungeplante Unterhaltsarbeiten am Bahnnetz selber finanzieren, weil die Leistungsvereinbarung mit dem Bund für die Jahre 2013–2016 zu wenig Mittel vorsieht. Zusatzbeiträge will der Bund erst für 2016 prüfen. Kurzsichtiges Sparen kann aber zu ineffizienterem Arbeiten und so letztlich zu Mehrkosten führen.

Der neue Schienenprüfwagen Sperry SRS 241, der mittels Ultraschall feinste Risse in den Schienen erkennen kann, hat zusätzlichen Unterhaltsbedarf aufgezeigt.

Am 25. März gab die SBB an der Medienkonfe renz zu ihrem Konzernergebnis 2013 bekannt, dass die Division Infrastruktur im letzten Jahr ein Defizit von 72,3 Mio. Franken verzeichnen musste. Dies nach einem Plus von 37,1 Mio. im 2012, und obwohl sie 2013 erneut mehr Trassenkilometer verkauft hat (170 Mio., +2,7 %). Dieses Defizit erklärte die SBB-Medienmitteilung damit, dass mehr Unterhaltsarbeiten nötig gewesen seien als ursprünglich geplant, die zu Mehrkosten von 129 Mio. Franken geführt hätten. Grund dafür seien «neue Erkenntnisse», die sich «insbesondere durch den Einsatz eines neuen Diagnosefahrzeugs und aus der Untersuchung eines Schienenbruches in Schwerzenbach» ergeben hätten.

Höhere Fahrbahnbelastung

Genauere Informationen zu diesem zusätzlichen Bedarf an Netzunterhalt veröffentlichte die SBB dann in der April-Ausgabe ihres Mitarbeitermagazins «Unterwegs» und in ihrer Medienmitteilung vom 21. Mai zum Netzzustandsbericht 2013. «Mehrverkehr sowie rascher beschleunigendes und bremsendes neues Rollmaterial setzen der Fahrbahn zu», wird der Leiter Anlagen und Technologie bei SBB Infrastruktur, Wassim Badran, in «Unterwegs» zitiert. Die durchschnittliche Nutzungsdauer der Fahrbahn habe sich von 37 auf 33 Jahre verkürzt.

Mit dieser wachsenden Belastung der Fahrbahn habe deren Unterhalt in den letzten Jahren nicht Schritt gehalten, wie die seit fünf Jahren erstellten Netzzustandsberichte zeigten:

Nachholbedarf seit 1995 laufend gestiegen

  • 2009 schätzte ein erstes, externes Audit den Nachholbedarf auf 1,35 Milliarden Franken und datierte den Ursprung des Erneuerungsrückstandes auf das Jahr 1995.
  • Der Netzzustandsbericht 2012 bezifferte den Rückstand auf 1,8 Milliarden Franken.
  • Der neuste Bericht geht nun sogar von einem Bedarf von 2,3 Milliarden Franken aus.

Zwischen 2012 und 2013 habe sich insbesondere die Zahl der festgestellten Schienenfehler verdreifacht (von 1600 auf 5100), berichtet «Unterwegs». Diese Zunahme beruhe aber «zu einem grossen Teil auf verfeinerten Messmethoden»: Seit letztem Jahr stehe nämlich eine «schärfere Brille» zur Verfügung: ein neuer Schienenprüfwagen, der mit seinen neun Ultraschallprüfköpfen pro Schienenstrang Ermüdungsschäden unter der Schienenoberfläche besser sichtbar machen könne als bisherige Diagnosefahrzeuge.

Warum in der Vergangenheit nicht mehr Unterhalt gemacht wurde, erklärt Wassim Badran so: Erstens habe man noch nicht so viel gewusst, und zweitens seien die Mittel für die Instandhaltung knapp gewesen. Vorrang hätten die Neubauten gehabt, vor allem für die Bahn 2000.

Der Abbau des Nachholbedarfs werde mindestens zwei Jahrzehnte dauern, schätzt Wassim Badran. «Grenzen setzen neben den Finanzen die Streckensperren und Ressourcen. Bauen allein genügt nicht, wir müssen auch fahren. Und wir brauchen zum Bauen genügend Maschinen und Fachkräfte.»

Finanzengpass bis 2016

Knapp ist zurzeit aber vor allem das Geld: «Es fehlen bis zum Inkrafttreten von FABI jährlich Mittel in der Grössenordnung der Zusatzaufwendungen von 2013», heisst es in der SBB-Medienmitteilung vom 21. Mai. «Für die Jahre 2014–2016 ringen wir mit dem Bund um Lösungen, wie die für den Unterhalt nötigen Mehrkosten finanziert werden können», schrieb Infrastrukturleiter Philippe Gauderon am 14. April in einem Kaderbrief, der in der «Schweizer Eisenbahn-Revue» 6/2014 integral abgedruckt war (siehe auch Box «Fragen ans Bundesamt für Verkehr» rechts). Da die Infrastruktur aber selber einen «namhaften Beitrag» leisten müsse, habe ihre Geschäftsleitung Sparmassnahmen beschlossen:

  • Verzicht auf/oder Verschiebung von Projekten und Programmen, nicht dringlichen Studien, internen und externen Anlässen, Forschungs-, Entwicklungs- und Reorganisationsprojekten sowie Repräsentationspflichten, Reisen usw.
  • Ausbau- und Erweiterungsprojekte werden überprüft und nach Absprache mit dem Bund wo möglich zurückgestellt oder gestoppt.
  • Die Unterhaltsarbeiten werden auf «vordringliche Massnahmen» fokussiert.
  • Für neu zu besetzende Stellen gilt eine sechsmonatige Karenzfrist für die Wiederbesetzung. Der Einsatz externer Mitarbeiter/innen und die externe Aus- und Weiterbildung werden auf ein Minimum reduziert. «Ein Abbau von Stellen steht zur Zeit nicht zur Diskussion», schreibt Gauderon.
  • Zudem soll sich eine Projektgruppe um die weitere Effizienzsteigerung kümmern.

Fi

Fragen ans Bundesamt für Verkehr

Bund prüft erst für 2016 eine Erhöhung der Mittel für SBB Infrastruktur

Die SBB musste 2013 für den Netzunterhalt 129 Mio. Franken mehr aufwenden als in der Leistungsvereinbarung mit dem Bund für 2013 bis 2016 budgetiert. Da sie bis 2016 mit Zusatzaufwand in der gleichen Grössenordnung rechnet, verhandelt sie mit dem Bund über Lösungen. Wir haben beim BAV nach dem Stand dieser Verhandlungen gefragt.

kontakt.sev: Wo steht das Ringen um Lösungen zwischen SBB und Bund?

BAV: Zwischen dem BAV und der SBB laufen Gespräche zur Frage, wie der zusätzliche Unterhaltsbedarf nach 2016 finanziert werden kann. Im Rahmen der geltenden Leistungsvereinbarung ist für 2014 und 2015 keine Erhöhung der Bundesmittel für den Fahrbahnunterhalt möglich. Der Bund hat sich bereit erklärt, ab 2016 (Inkraftsetzung FABI) eine Erhöhung zu prüfen. Eine Erhöhung des Zahlungsrahmens (zur Erinnerung: 6,6 Mia. für die LV 2013–2016) würde einen Entscheid des Parlaments bedingen.

Falls kein Geld fliessen soll: warum nicht?

Der Bund und die SBB haben für die Jahre 2013 bis 2016 eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen. Die SBB haben sich darin unter anderem verpflichtet, ein gut unterhaltenes und hoch verfügbares Eisenbahnnetz zur Verfügung zu stellen. Das Parlament hat dazu einen Zahlungsrahmen von 6,6 Mia. Franken gesprochen. Dieser Zahlungsrahmen wurde gestützt auf Planrechnungen der SBB festgelegt. Es liegt in der Verantwortung der SBB, mit unternehmerischen Massnahmen diesen Verpflichtungen nachzukommen.

Die SBB will auch sparen, indem Ausbau- und Erweiterungsprojekte überprüft und nach Absprache mit dem Bund zurückgestellt oder gestoppt werden. Sind sich SBB und Bund darüber schon einig geworden?

Im Rahmen der laufenden Gespräche sollen auch einzelne Ausbau- und Erweiterungsprojekte, welche in der Leistungsvereinbarung 2013–2016 vereinbart wurden (d. h. nicht Erweiterungen gemäss ZEB oder Ausbauschritt 2025), auf ihre Dringlichkeit überprüft werden. Entscheide sind bisher keine gefällt worden.

SBB Infrastruktur erwägt als Sparmassnahme unter anderem eine Fokussierung der Unterhaltsarbeiten auf «vordringliche» Massnahmen. Ist das BAV bereit, dies in Kauf zu nehmen – und damit womöglich eine sinkende Qualität des Netzes, also konkret auch mehr Langsamfahrstellen?

Mit der Leistungsvereinbarung wurden der SBB Vorgaben zur Verfügbarkeit und zur Qualität des Netzzustandes gemacht. Es liegt in der Verantwortung der Eisenbahnunternehmung, die nötigen Massnahmen zur Gewährleistung einer hohen Anlagenverfügbarkeit zu treffen. Sollten Massnahmen zur Einhaltung dieser Vorgaben den vom Parlament genehmigten Zahlungsrahmen überschreiten, so ist das finanzielle Risiko durch die Unternehmen zu tragen. Dazu verfügt die SBB über zweckgebundene Reserven aus früheren Überschüssen im Infrastrukturbereich.

Fragen: Fi