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Wie weiter in der «Crossrail-Saga»?

Jetzt muss geredet werden!

Das Güterverkehrsunternehmen Crossrail spricht lieber mit der Presse als mit der Gewerkschaft und den Behörden. Für den SEV ist es Zeit, den Druck zu erhöhen.

kontakt.sev: Barbara Spalinger*, vor gut zwei Wochen gab Crossrail bekannt, erste Lokführer zur Umschulung auf die Schweizer Strecken angestellt zu haben. Wie weit war der SEV involviert in diese Entwicklung und damit einverstanden?

Barbara Spalinger: Der SEV war in keiner Weise daran beteiligt. Crossrail hat uns auch nicht darüber informiert, wir haben die Informationen der Presse entnommen. Zwar hat offenbar Crossrail ihr ursprüngliches Lohnangebot – ein eigentliches Dumpingangebot – nachträglich nachgebessert, sicher auch aufgrund der Öffentlichkeitsarbeit des SEV. Wenn die Informationen, die wir haben, stimmen, ist das Angebot aber immer noch klar ungenügend; es entspricht nicht den üblichen Schweizer Arbeitsbedingungen.

Wie reagiert der SEV auf diese Entwicklung?

Crossrail verstösst mit ihrer Lohnpolitik einerseits gegen das Eisenbahngesetz, das für den Netzzugang in der Schweiz branchenübliche Löhne verlangt. Hier ist das BAV gefordert, einzuschreiten, und wir werden auch aktiv nachfragen. Auf der andern Seite haben wir einen klaren Verhandlungsanspruch gegenüber Crossrail, da fast alle der betroffenen italienischen Lokführer dem SEV beigetreten sind. Da sich Crossrail bisher weigert, mit dem SEV zu sprechen, müssen wir notfalls das Einigungsamt anrufen. Die SEV-Spitze fordert vom BAV einerseits rasch einen Entscheid in seinem Sinn; andererseits prüfen wir die Klage an das Einigungsamt.

Wie sieht eine korrekte Lösung dieses Konfliktes aus? Wie kommt man aus der Eskalation wieder heraus?

Es wäre eigentlich einfach: Man setzt sich zusammen an einen Tisch und erarbeitet eine gemeinsame Lösung. Dies ist Sozialpartnerschaft, in der Schweiz wie in Belgien. Herr Lejeune soll sich daher nicht weiter verstecken, sondern endlich mit uns reden.

Es gibt zudem eine grundsätzliche Dimension dieses Konflikts: Wenn man einen «liberalen Netzzugang» fordert, bedeutet das auch, dass allgemeingültige Standards in einem Branchen-GAV, einem GAV für den Schienengüterverkehr, festgelegt werden. Dies ist eine Notwendigkeit für die Sicherheit im Bahnverkehr, an der alle ein Interesse haben. Wir sind dazu bereit, und je länger dieser absurde Konflikt dauert, wohl auch die andern Güterverkehrsunternehmungen. Crossrail kann also noch entscheiden, ob sie dabei mitreden will oder nicht. 

Interview: Peter Anliker
* Barbara Spalinger ist Vizepräsidentin des SEV.