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Objektschutz ist eine Hauptaufgabe der Securitrans

Die Sicherheit im Bahnhof hat viele Gesichter

Die Securitrans-Angestellten sind unter anderem für die Sicherheit in den Bahnhöfen zuständig. Eine vielseitige Tätigkeit, wie ein Augenschein im Bahnhof Bern zeigt. Sie kümmern sich um defekte Rolltreppen, zerbrochene Scheiben, leisten Erste Hilfe, geben Auskunft an Reisende und schlichten handgreifliche Auseinandersetzungen.

Die gut sichtbaren Patrouillen vermitteln objektive und subjektive Sicherheit im Bahnhof.

An diesem Morgen leitet Andreas Begert seine Schicht als Operateur in der Überwachungszentrale von Securitrans im Bahnhof Bern. Er hat Besuch von einem Zivilbeamten der Kantonspolizei Bern. Es geht um einen Trickdiebstahl, der sich am Vorabend zutrug. Ein älterer Mann wurde bestohlen und hat Anzeige erstattet. Die beiden Sicherheitsleute durchsuchen gezielt die Videoaufzeichnungen zum Tatzeitpunkt: auf einem der zahlreichen Bildschirme, die wie Bilder in einer Galerie an der Wand der Securitrans-Zentrale hängen. Sie werden fündig. «Wir konnten die Täter, einen Mann und eine Frau, und ihre Vorgehensweise erkennen», sagt Begert.

240 Kameras im Blick

«Trickdiebstähle kommen häufig vor», erklärt der Sicherheitsangestellte. Oft helfen die Aufzeichnungen der inzwischen 240 Videokameras weiter, die das Geschehen im Bahnhof Bern festhalten. Einzelne davon behält Begert während seines Dienstes im Auge. Gewisse Kameras lassen sich mithilfe von Computerbefehlen schwenken, manche verfügen über ein Zoom. Die Auflösung ist so genau, dass man am Bildschirm den gelben Fahrplanaushang lesen kann. In der Zentrale lassen sich auch die Kameras von weiteren Bahnhöfen aufschalten, die zur «Region Mitte» von Securitrans gehören: Biel, Solothurn und Visp zum Beispiel. Die Aufzeichnungen bleiben während 72 Stunden gespeichert, danach werden sie überschrieben und somit gelöscht, wenn sie nicht als Beweismaterial von den Ermittlungsbehörden benötigt werden. In diesem Fall sichert die Transportpolizei das Material. Für jede He-rausgabe braucht es eine richterliche Verfügung.

«Passive» Überwachung

Eine lückenlose und aktive Überwachung des Bahnhofs Bern, den täglich 260 000 Passagiere benützen, ist aber nicht möglich. Der Operateur ist meistens allein in der Zentrale. «Wir streben grundsätzlich eine passive Überwachung an», erläutert Christoph Frech, Leiter Objektschutz Region Mitte von Securitrans. Nur im Ereignisfall werde das Geschehen aktiv verfolgt.

Andreas Begert ist «Ablöser» im Bereich Objektschutz. Er arbeitet zu 40 Prozent als Operateur, zu 60 Prozent ist er selber draussen auf Patrouille. Er schätzt die Arbeit im Bahnhof und beim öffentlichen Verkehr, weil sie mit vielen Kontakten zu den Leuten verbunden sei. Der gelernte Metallbauer ist aus diesem Grund vor gut anderthalb Jahren zunächst als Patrouilleur bei Securitrans eingestiegen.
Eine Klingel summt. Ein Lieferant verlangt Einlass in die Bahnhof-Zufahrt. Begert sieht auf dem Bildschirm, dass es sich um den Lastwagen eines Bierlieferanten handelt, den er kennt. Per Mausklick öffnet er die Schranke. Man sieht das Fahrzeug im Bahnhof-Untergrund verschwinden, den die Reisenden nie zu Gesicht bekommen.

Der unsichtbare Bahnhof

Begert und seine Kollegen von Securitrans hingegen müssen die Verkehrsdrehscheibe in- und auswendig kennen: inklusive der drei unterirdischen Stockwerke, in denen sich die technischen Anlagen sowie das Logistikzentrum mit der Warenanlieferung befinden. Von hier aus wird der zweitgrösste Schweizer Bahnhof mit den zahlreichen Läden und Restaurants versorgt.

Zu Begerts Aufgaben gehört es, die Handwerker, die im Bahnhof zu tun haben, zu betreuen. Er erteilt die nötigen Parkierscheine, händigt am Schalter den Ausweis und den Schlüssel aus.

Wenn irgendwo Schweissarbeiten zu erledigen sind, füllen die Handwerker ein Formular aus. Um einen Fehlalarm zu vermeiden, stellt der Operateur dann den entsprechenden Brandmelder ab: «Dazu braucht es Ortskenntnisse.»

Ein Streit eskaliert

Jetzt hat Begert allerdings anderes zu tun. Auf dem Bahnhof des Regionalverkehrs Bern– Solothurn (RBS) sei eine handgreifliche Auseinandersetzung im Gang, hat ihm die Schalterbeamtin am Telefon berichtet. Es ist 11 Uhr 41. Der Operateur kontaktiert per Funk umgehend die Patrouille, die immer aus zwei Leuten besteht. «Wir sind vor Ort», meldet sie eine Minute später.Da er keinen Zugriff auf die
Videokameras im RBS-Bahnhof hat, ist Begert auf den Funk angewiesen. Die Streitparteien lassen sich offenbar nicht beruhigen, sodass er auch die «Kameraden» der Kantonspolizei aufbieten muss, die im Bahnhof eine Wache unterhält. «Man muss in solchen Fällen Ruhe und Übersicht bewahren und Eigeninitiative entwickeln.»

Um 11 Uhr 47 sind die Polizisten vor Ort. Um 12 Uhr ist der Einsatz beendet. Zwei Paare sind sich in die Haare geraten, die Polizei hat die Personalien aufgenommen. Sobald die Männer von der Patrouille in die Zentrale zurückkehren, werden sie die Ereignisse schildern. Begert erstellt dann einen schriftlichen Rapport sowie eine Meldung an das Securitrans-Kader, das über alle ausserordentlichen Vorfälle informiert sein will.

Krisenzeiten am Wochenende

Aussergewöhnlich ist der Vorfall auch deshalb, weil er sich an einem Mittwochmittag abspielt. Tätliche Auseinandersetzungen und Schlägereien häufen sich am Wochenende, wenn Alkohol im Spiel ist. Securitrans stockt dann die Zahl der Patrouillen situationsbezogen auf. Die Patrouilleure überwachen den Bahnhof jeden Tag rund um die Uhr in drei Schichten à acht Stunden, wie Christoph Frech informiert. In weiteren mittelgrossen Bahnhöfen der Region Mitte markieren sie jeweils während einiger Stunden Präsenz.

Sichtbare Sicherheit

An diesem Tag sind der Aargauer Roger F. und der Berner Mathias G. im Einsatz, zwei grosse, sportliche junge Männer, die in ihren zitronenfarbenen Leuchtwesten im Gedränge der Passanten gut sichtbar herausstechen, was den Reisenden auch ein Sicherheitsgefühl vermitteln soll.
Sie tragen die blaue Securitrans-Uniform und am Gürtel das Funkgerät, den Mehrzweckstock, Material für die Erste Hilfe, einen Pfefferspray und Handschellen, sodass sie recht militärisch wirken. Sie seien aber nicht einfach die «Bösen», betont Mathias G., Sicherheit sei ein weiter Begriff.

Vielseitige Aufgabe

Tatsächlich sind Arbeit und Aufgaben der Patrouillen breit gefächert. Viel öfter leisten sie Hilfe aller Art, als dass sie harte Ordnungskontrollen und Massnahmen durchführen. Sie gewährleisten in erster Linie das reibungslose Funktionieren der Bahnhof-Anlagen (von daher kommt auch der Name Objektschutz). Auf ihren Rundgängen überwachen sie Lifte und Rolltreppen. Sie kümmern sich um Details wie kaputte Scheiben, weil auch diese ein Sicherheitsproblem darstellen können, denn es besteht dann Rutsch- und Verletzungsgefahr für die Passanten.

Die Patrouillen sind meist als Erste vor Ort und alarmieren die Rettungsdienste, wenn ein Brand ausbricht oder wenn ein Bahnhofbenutzer medizinische Hilfe benötigt (im Jahr 2012 war dies 200-mal der Fall). In Kursen frischen die Securitrans-Leute ihre Kenntnisse in Erster Hilfe jedes Jahr auf. Sie führen Ortsunkundige zur Touristeninformation und erteilen Fahrplanauskünfte.

Im Dienst des ganzen Bahnhofs

Den Rundgang führen die Patrouillen gemäss den Vorgaben des Laufplans durch. Im Vorübergehen überprüfen sie die Billettautomaten auf Manipulationen durch Skimming-Betrüger (die im Bahnhof Bern eher selten sind). Kontaktaufnahmen und kurze Besuche in Läden und Restaurants gehören dazu.
Die Bahnhof-Geschäfte haben im Mietvertrag zugesicherte Leistungen und sind indirekt Kunden von Securitrans. So ist die Patrouille mit dabei, wenn am Abend die Apotheke schliesst, die Methadon abgibt. Auch beim Haupteingang führen Roger F. und Mathias G. Kontrollen durch. Es ist ein «Hot Spot». Hier trifft sich gerne eine «Szene», welche die Geschäfte in der Nähe als umsatzschädigend erachten.

Benutzerordnung durchsetzen

Das Durchsetzen der Benutzungsordnung ist eine der Obliegenheiten von Securitrans. Die Patrouillen machen die Passanten mit Glimmstängel auf das Rauchverbot, Rollbrettfahrer auf das Fahrverbot aufmerksam und fordern Leute «ohne Reiseabsicht» auf, den Wartsaal zu verlassen.
Roger F. und Mathias G. betonen, dass sie dabei mit Augenmass vorgehen. Man könne viel erreichen, wenn man anständig bleibe und die Menschen mit Worten zu überzeugen versuche, hält Roger F. fest.
Wenn gutes Zureden nicht weiterhilft, werden die Securitrans-Patrouillen auch mal deut-
licher. Sie haben zwar keine Kompetenz, Bussen auszustellen, können aber die Ausweise kontrollieren, Anzeige erstatten und die Leute im Notfall und auf Anweisung der Kantonspolizei in Handschellen zur Polizeiwache bringen. Das hat dann manchmal eine Wegweisung zur Folge. Die Betroffenen dürfen sich während 48 Stunden nur noch zum Lösen des Billets und zum Benutzen der Bahn im Bahnhof aufhalten.

Weitgehend friedlich

Den Pfefferspray hat Roger F. in den zwei Jahren, seit er bei Securitrans arbeitet, nur einmal einsetzen müssen: als ein Passant seinen Hund auf ihn hetzte. Er war auch im Dienst, als im August 2013 die Demonstration «Tanz dich frei» in einer «Krawallnacht» eskalierte und der Bahnhof zur Zielscheibe der Zerstörungswut wurde. Das sind aber absolute Ausnahmen. Im Umgang mit den Fussball- und Eishockeyfans sind die Objektschützer inzwischen gut geübt.

Denn insgesamt ist der Bahnhof Bern auch dank der Arbeit der Securitrans-Leute kein gefährlicher Ort: «Die Sicherheit hat sich in den letzten Jahren stark verbessert», bilanziert Christoph Frech.

Peter Krebs