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Eidgenössische Volksabstimmung vom 11. März zur Buchpreisbindung

«Buchpreisbindung unabdingbar für lebendigen Buchhandel»

Die Abstimmung über die Buchpreisbindung ist aus gewerkschaftlicher und aus kulturpolitischer Sicht wichtig. Es geht darum, eine vielfältige Buchhandelslandschaft, also eine flächendeckende Versorgung mit Büchern, zu gewährleisten. Und dies, ohne dass die Angestellten im Buchhandel zu Hungerlöhnen arbeiten müssen.

Danièle Lenzin

kontakt.sev: Danièle Lenzin, in der Schweiz wird über die Buchpreisbindung diskutiert. Diese Preisbindung bedeutet ja, dass Bücher nicht billiger als zu dem vom Verlag festgesetzten Preis verkauft werden dürfen. Für mich als Leser wäre es aber doch ein Vorteil, wenn die Bücher billiger wären. Warum bist du trotzdem für die Buchpreisbindung?

Danièle Lenzin: Wir von Syndicom sind für die Buchpreisbindung, weil sich die Situation in der Schweiz, seit die Bindung 2007 aufgehoben wurde, in eine schlechte Richtung entwickelt hat. Gegenwärtig tobt eine Rabattschlacht, es gibt einen Preiskampf, bei dem die kleinen Buchhandlungen nicht mitmachen können. Wie das Beispiel England zeigt, werden Bücher ohne Buchpreisbindung im Durchschnitt nicht günstiger, sondern teurer, nur Bestseller sind billiger. In der Schweiz sind auch nicht alle Bücher billiger geworden: Bei den Bestsellern sind wir im «Paradies», Ex Libris gewährt 30 % Rabatt. Und wer bei Ex Libris online kauft, kriegt auch Sachbücher billiger. Wir glauben aber nicht, dass die Leute nur noch online bei Ex Libris einkaufen wollen.

Bio

Danièle Lenzin, geboren 1961, arbeitete nach einer kaufmännischen Lehre im Buchhandel (Genossenschaft «Buch am Platz»). 1989 holte sie die Matura nach und studierte in Zürich und Wien Volkskunde und Geschichte. Heute ist Danièle Lenzin Co-Präsidentin von Syndicom, Gewerkschaft Medien und Kommunikation. Sie lebt in Zürich. Buchpublikation: «Die Sache der Frauen», Rotpunktverlag 2000.

Als Branchenleiterin Buch + Medienhandel bei Syndicom ist Danièle Lenzin zuständig für die gewerkschaftlich organisierten Buchhandelsangestellten der Schweiz. In den rund 540 Buchhandlungen des Landes arbeiten 3070 Angestellte (davon 2300 in der Deutschschweiz, 700 in der Westschweiz und 70 im Tessin) (Zahlen von 2008).

Die Buchpreisbindung soll ja durch ein neues Gesetz eingeführt werden. Wie war der Buchpreis in der Schweiz denn bisher geregelt?

Seit dem 19. Jahrhundert gab es die Buchpreisbindung – in der Deutschschweiz bis 2007. Aufgrund der Kritik der Wettbewerbskommission, die das «Kartell» des Buchmarkts kritisiert hatte, wurde sie dann aufgehoben. Jetzt können die Buchhandlungen im Prinzip den Preis frei festlegen, kleinere halten sich aber an den empfohlenen Preis.

Das eidgenössische Parlament kam im Frühjahr 2011 zum Schluss, dass die Buchpreisbindung nötig sei für einen lebendigen Buchhandel und ein vielfältiges Angebot.

In der Westschweiz ist die Buchpreisbindung schon seit der Mitte der 90er-Jahre aufgehoben. Dort sind die Bücher rasch viel teurer geworden als in der Deutschschweiz. Die Preise in der Romandie sind im Vergleich zu Frankreich viel höher als die Buchpreise in der Deutschschweiz im Vergleich zu Deutschland – die Aufhebung der Preisbindung hat dazu geführt, dass viele Buchhandlungen in der Westschweiz in der Zwischenzeit geschlossen worden sind.

Hat man denn in der kurzen Zeit, da die Buchpreisbindung in der Deutschschweiz aufgehoben war, negative oder positive Erfahrungen gemacht?

Die Zeit war zu kurz für gravierende Auswirkungen. Auch die schwierige Wechselkurssituation verunmöglicht verlässliche Angaben.

Ein Buch ist ein Produkt, an dem viele Menschen beteiligt sind: Der Autor oder die Autorin, die Leute in der Druckerei und Buchbinderei, die Angestellten des Verlages und zum Schluss der Buchhändler oder die Buchhändlerin, die mir das Buch verkaufen. Wie wirkt sich die Buchpreisbindung auf die Arbeitsbedingungen dieser Berufsleute aus?

Für uns von der Gewerkschaft ist es klar: Ohne Buchpreisbindung erhöht sich der Preisdruck und damit der Lohndruck. Bücher werden schon heute oft ausserhalb der Schweiz gedruckt, deshalb wirkt sich die Preisbindung auf der Produktionsseite wenig aus.

Die Verlage müssen eine Mischrechnung machen – ein «Renner» hilft mit, ein weniger erfolgreiches zu finanzieren. Wenn nun die Bestseller billiger verkauft werden müssen, fehlt das Geld, um «schwierige» Bücher oder solche von jungen Autoren/-innen finanzieren zu helfen. Deshalb werden es sich die Verlage zweimal überlegen, ob sie solche Bücher überhaupt herausgeben wollen. Deshalb wird das Fehlen der Buchpreisbindung zu einer Verarmung des Bücherangebots führen.

Wie sieht es denn im Ausland aus? Existiert dort die Buchpreisbindung, gibt es Erfahrungen mit oder ohne Buchpreisbindung?

Überall gibt es die Buchpreisbindung! Und deshalb gibt es auch dichte Buchhandelsnetze, was uns sehr am Herzen liegt. In England wurde die Buchpreisbindung 1997 aufgehoben. Seither ist knapp die Hälfte – rund 1800 – aller Buchhandlungen eingegangen. Wenn wir Buchhandlungen auch ausserhalb der grossen Städte wollen, müssen wir gegen die Dumpingpreisidee kämpfen.

Viele Leute finden, die Bücherpreise in der Schweiz seien im Vergleich mit den Preisen für die gleichen Bücher in Euro-Ländern überhöht, es werde ein zu schlechter Wechselkurs angewendet – könnte da ein Verzicht auf die Buchpreisbindung nicht korrigierend wirken?

Es könnte helfen – aber nur um den Preis, dass wir dann nur noch den Online-Buchhandel hätten. Die grossen Online-Händler – wie Ex Libris, Amazon, Fnac – würden sich den Markt aufteilen. «Normale» Buchhandlungen vor Ort haben ganz andere Kosten: Miete, Löhne, Lagerkosten. Der Anfangslohn nach einer dreijährigen anspruchsvollen Lehre beträgt 3920 Franken, und auch die Ladenbesitzer verdienen keine Managerlöhne. Da gibt es keine Abzockerei. Das Gesetz sieht aber vor, dass der Preisüberwacher bei Preismissbrauch einschreiten kann. In den letzten Jahren hat es schon Preissenkungen gegeben.

Der Preis für ein Buch, wie für die meisten anderen importierten Produkte in der Schweiz, kann aber nie der gleiche sein wie in Deutschland, Frankreich oder Italien, weil die Kosten bei uns einfach höher sind.

Zum Schluss: Was sind die drei wichtigsten Gründe, um am 11. März Ja zur Buchpreisbindung zu sagen?

Der erste Grund ist, dass die Buchpreisbindung für eine lebendige Buchhandelslandschaft unabdingbar ist, sodass es auch an kleineren Orten Buchhandlungen gibt. Als zweiter Grund ist festzuhalten, dass jemand, der nicht ausschliesslich Bestseller kauft, mit der Buchpreisbindung auch preislich besser fährt. Die Buchpreise sind im Schnitt tiefer. Der dritte Grund ist, dass die kulturelle Vielfalt nur mit der Buchpreisbindung gestützt werden kann.

Interview: Peter Anliker

Buchpreisbindung: darum geht es am 11. März

Buchpreisbindung hat sich bewährt

Seit über 100 Jahren galt im Schweizer Buchhandel eine bewährte Regel: Ein Buch kostet überall gleich viel – ob in einer städtischen Grossbuchhandlung gekauft oder in einem kleinen Buchladen auf dem Land, ob im Internet bestellt oder aus dem Versandprospekt. Die Buchpreisbindung, wie sie auch die meisten europäischen Länder kennen, hat die Bücher insgesamt günstiger gemacht. Dank ihr konnte man den Gewinn aus den etwas teurer verkauften Bestsellern dafür verwenden, weniger gefragte Bücher zu verbilligen.

Weniger Bücher, weniger Bildung, weniger Kultur

Ohne Preisbindung werden Bestseller mit ihren hohen Absatzzahlen massiv günstiger. Dafür steigen Schul-, Lehr- und Fachbücher, wissenschaftliche Werke, Gedichtbände, Heimatliteratur oder kulturelle Zeugnisse von und für Minderheiten deutlich im Preis. Bücher werden zu einem Luxusgut, das sich nur noch Wohlhabende leisten können. Auf den Druck so manchen Buches wird man aus finanziellen Gründen wohl gar verzichten müssen. Leidtragende werden Schüler, Lehrlinge, Studierende, Weiterbildungshungrige und Kulturinteressierte sein – unser Land läuft Gefahr, kulturell zu verarmen.

Mit den Buchhandlungen verschwinden wertvolle kulturelle Treffpunkte, aber auch qualifizierte Arbeits- und Ausbildungsplätze – das weiss man von Erfahrungen aus dem Ausland, aber auch von Erfahrungen aus der Westschweiz, wo die Buchpreisbindung bereits früher ab- geschafft wurde. Ohne Buchpreisbindung geht in den nächsten Jahren jeder siebte Arbeitsplatz im Buchhandel verloren – und mit ihnen auch viel Knowhow. Und nicht zu vergessen: Neben den Arbeitsplätzen verschwinden auch viele hoch qualifizierende Ausbildungsplätze.