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Die ZuS machen mobil gegen die unsinnige Abschaffung der S-Bahn-Begleitung ab 21 Uhr – und hoffen auf ein Umdenken des ZVV

Zugchefs S-Bahn müssen bleiben!

Gegen hundert Zugchefs S-Bahn (ZuS) haben am 15. September in Zürich- Oerlikon vor dem Verwaltungsgebäude des Zürcher Verkehrsverbundes (ZVV) gegen ihre Abschaffung protestiert. Fünf Tage später besuchten 95 ZuS die SEV-Protestversammlung im Volkshaus Zürich und bildeten offiziell ein «Aktionskomitee ZuS».

Auf die Idee einer Demo vor der ZVV-Verwaltung in Oerlikon waren die ZuS deshalb gekommen, weil an den drei Infoveranstaltungen der SBB zum neuen Sicherheitskonzept des ZVV Letzterer durch Abwesenheit «glänzte». «Dann gehen halt wir zum ZVV!», fand ein spontan gebildetes, etwa zehnköpfiges «Aktionskomitee Zugbegleitung».

Als Demoorganisator tritt am Mittwoch, 15. September, das Komiteemitglied Urs Zbinden auf (siehe Artikel rechts) und hält eine Rede, die mit den Worten schliesst: «Dieser Entscheid des ZVV ist ein politischer Entscheid und kann rückgängig gemacht werden! Wir werden keine Ruhe geben, bis das unsinnige Sicherheitskonzept vom Tisch ist und unsere Arbeitsplätze gesichert sind! Zugchefs S-Bahn müssen bleiben!» Applaudierend nehmen die Versammelten den letzten Satz auf und rufen ihn im Chor immer wieder zu den ZVV-Büros hinauf. Danach verliest Zbinden die Solidaritätsbotschaften von Kolleg/innen der SBahn Berlin und des IW Bellinzona, die grossen Beifall finden. Nach Zbinden ergreift SEV-Vizepäsident Manuel Avallone das Wort und fordert den ZVV ebenfalls auf, die Randstundenbegleitung der S-Bahn-Züge ab 21 Uhr beizubehalten. Er sagt den ZuS die volle Unterstützung des SEV zu bei ihrem Kampf gegen ihre Abschaffung.

Schliesslich kommt ZVVDirektor Franz Kagerbauer persönlich herunter und nimmt die Protesterklärung entgegen. Dies freut die ZuS. Doch dass Kagerbauer nicht zu ihnen sprechen will, enttäuscht. Damit verstärkt er den Eindruck, dass der ZVV den Dialog verweigert und das Problem der wegfallenden ZuSStellen allzu einfach an die SBB abschieben will. Daher ertönen Buhrufe und Pfiffe.

Am folgenden Montag versammeln sich im Volkshaus Zürich 95 ZuS. Geleitet wird die vom SEV-ZPV organisierte Protest- und Infoversammlung von SEV-Vizepräsident Manuel Avallone, von den Gewerkschaftssekretären Jürg Hurni und Arne Hegland sowie vom Zentralpräsidenten des Unterverbands des Zugpersonals (ZPV), Andreas Menet. Die ZPV-Sektion Regionalverkehr Ost, in der die ZuS organisiert sind, ist durch Vizepräsidentin Silvia Bucher am «Vorstandstisch » vertreten.

Lokpersonal solidarisch mit ZuS

Die Lokführerin Andrea-Ursula Leuzinger kommt direkt aus der Vorstandssitzung des LPV Zürich und teilt den ZuS mit: «Das Lokpersonal steht hinter euch! Auch uns ist es wohler, wenn wir wissen, dass ihr auf dem Zug seid!» Avallone verliest zudem eine Solidaritätsbotschaft des SGB.

Die ZuS stellen viele Fragen. Zum Beispiel: Warum konnte der ZVV vor dem Ende des bis 2014 laufenden Leistungsvertrags mit der SBB eine Änderung der Spielregeln durchsetzen, die 220 SBB-Mitarbeitende ihre Stelle kostet? Und haben die politisch Verantwortlichen – und die Öffentlichkeit – wirklich begriffen, dass mit der ZuSAbschaffung auf der S-Bahn der Kundendienst verschwindet? Dies, nachdem die Politik vor sieben Jahren die Randstundenbegleitung gefordert hat! Darüber täuscht der ZVV mit dem Schlagwort «mehr Sicherheit » hinweg! Das muss klargestellt werden! – «Da sind wir dran», sagt Avallone. Der SEV informiere, führe Gespräche, kläre juristische Fragen und beschaffe Zahlenmaterial.

Die ZuS fragen auch, wie sie sich verhalten sollen. Zum Beispiel: «Riskieren wir die Entlassung, wenn wir uns bis Ende Jahr auf keines der Stellenangebote melden?» – Antwort: Nein, solange der Arbeitsvertrag läuft, darf die SBB keine Bewerbungen verlangen; Entlassungen sind nur aus disziplinarischen Gründen möglich; und während der Laufdauer des GAV darf die SBB aus wirtschaftlichen oder betrieblichen Gründen niemanden entlassen.

Komitee organisiert Widerstand

Zum Schluss bilden die ZuS offiziell ein «Aktionskomitee ZuS», für das sich spontan gegen 20 Leute melden. Und sie verabschieden die Resolution «Zugchefs S-Bahn müssen bleiben». Diese stellt klar, dass sich die ZuS von Sonntag bis Donnerstag bestens bewährt haben, und dass auch an den Wochenenden die Bedrohung durch alkoholisierte, enthemmte Leute im Ausgang längst nicht so dramatisch ist, dass die ZuS auf diesen Zügen ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen könnten, wie dies der ZVV seit einiger Zeit glaubhaft zu machen versucht.

Das grösste Konfliktpotenzial geht nach der Erfahrung der ZuS vom Nachtzuschlag aus. Der Vorschlag des Personals, diesen in die Billettpreise zu integrieren wie in Basel, ist vom ZVV aber bisher geflissentlich überhört worden.

Vorerst sammeln die ZuS vor allem Unterschriften für die Petition gegen das neue ZVV-Sicherheitskonzept und wollen diese Franz Kagerbauer schon bald übergeben.

Markus Fischer

Die ZuS möchten kaum zum Sicherheitsdienst wechseln

An der Demo in Zürich-Oerlikon treffen wir auf Roger Gander, einen Zugchef S-Bahn (ZuS) mit 70 %-Pensum. Der 45-jährige Walliser hat erst im März seine ZuS-Ausbildung abgeschlossen. Umso ungelegener käme für ihn die Aufhebung seiner Stelle bereits im nächsten Jahr. Er möchte sich in den kommenden Jahren gerne zum nationalen Reisezugbegleiter (RZB) weiterentwickeln. Daher ist er daran, seine Französisch-, Englischund Italienischkenntnisse zu perfektionieren. Das müsste nun plötzlich sehr schnell gehen, falls er die ZuS-Stelle tatsächlich verlieren würde und danach nahtlos als RZB weiterarbeiten möchte. Ein Wechsel zum neuen Sicherheitsdienst wäre für ihn kaum eine Option. Diese Arbeit kennt er schon aus eigener Erfahrung, und er möchte nun nicht dorthin zurück, sondern weiterhin als Zugbegleiter im Kundendienst tätig sein. Er hofft sehr, dass der ZVV noch einsieht, dass die Arbeit der ZuS für die Kundschaft sehr wertvoll ist: «Wir geben Fahrplanauskünfte und Orientierungshilfen an Leute, die sich im ZVV-Netz nicht auskennen. Wir verkaufen Anschlussbillette und helfen wenn nötig auch beim Lösen eines Billetts am Automaten. Wir helfen Gehbehinderten, Blinden und Müttern mit Kinderwagen beim Ein- und Aussteigen usw.» Und dies auf jedem Zug ab 21 Uhr. Die Sicherheitsbeamten dagegen wären nicht mehr auf allen Zügen. «Die Leute fühlen sich dank uns im Zug gut aufgehoben», fasst Gander zusammen. «Für mich sind die Reisenden wie eine Familie!» So sieht es auch Daria Leutenegger, eine Zugchefin Regionalverkehr (ZuR), die zu 100 % arbeitet, davon aber zu 50 bis 60 % als ZuS. «Die Leute sind froh um die ZuS und kennen uns. Manchmal geben sie uns sogar Geschenklein. Eine Frau sagte mir neulich: Wenn ihr nicht mehr da seid, dann kann ich nicht mehr in meinen Abendkurs gehen! Manchmal sind wir ZuS sogar Seelentröster.» Beispielsweise hat sie auch schon mal ein Mädchen aufgemuntert, das weinte, weil ihm der Freund den Laufpass gab. Auch sie könnte sich einen Wechsel in den Sicherheitsdienst kaum vorstellen. Bei allem Respekt für die wertvolle Arbeit der Securitas: Der Kundendienst und auch Stichkontrollen liegen ihr persönlich besser als der reine Ordnungsdienst. Falls sie ihre Stellenprozente als ZuS verlieren würde, möchte sie zu 100 % als ZuR arbeiten, denn sie ist auf das Einkommen angewiesen. «Jedoch würden die Nacht- und Sonntagszulagen grösstenteils wegfallen!» Brigit Bruni, die seit drei Jahren zu 70 % als ZuS arbeitet, würde es ebenfalls nicht in den Sicherheitsdienst ziehen. Sie hatte einen KV-Beruf, bevor sie Hausfrau wurde. Wegen ihrer guten Fremdsprachenkenntnisse würde sie sich Richtung RZB weiterentwickeln. «Das können aber nicht alle ZuS, und es gibt kaum für alle genug Stellen. Vor allem für Ältere, die sich noch nicht frühpensionieren lassen könnten, würde es schwierig. Ich bin aus Solidarität an die Demo gekommen! » Heute sind ihre vier Kinder 13- bis 21-jährig, doch schätzen sie es weiterhin, dass die Mutter abends arbeiten kann, wenn der Vater zu Hause ist.

Fi